Lebenssonden: Roman (German Edition)
Diesmal stimmten die Ergebnisse sie um einiges optimistischer.
Spontan quollen Verweise auf etwas mit der Bezeichnung »Wettlauf ins All« aus dem Speicher. Anscheinend hatte der Start des ersten Satelliten durch einen der Machtblöcke eine Konkurrenzsituation mit dem anderen großen Machtblock auf dem Planeten ausgelöst. Wenn auch die Gründe für die Konkurrenz verborgen blieben, konnte SONDE nicht umhin, die Entwicklung zu begrüßen. Immer öfter spien in der Periode (1960-1969) primitive Raketen Feuer und stiegen schwerfällig in den Himmel empor. Doch die Raketen wurden mit erstaunlicher Geschwindigkeit größer. Dann – am Ende des Jahrzehnts – sah SONDE zwei Zweifüßler in Raumanzügen auf der Oberfläche des einzigen Satelliten der Erde herumturnen.
SONDE hielt die Studie am Ende der 1960er-Daten an und berechnete die Geschwindigkeit, mit der der Fortschritt der Menschen verlief. Die Ergebnisse waren eindrucksvoll. Wenn sie diese Entwicklungsgeschwindigkeit beibehielten, würden sie die Schöpfer in weniger als zehntausend Jahren einholen!
Die Daten für 1970-1979 reflektierten indes eine Periode der Stagnation: eine Zeit, in der Wissenschaft und Technik in Misskredit zu geraten schienen. Zum Glück zeigten die Daten der 1980er Jahre ein wieder auflebendes Interesse. In den 1990ern hatten die Menschen eine ständige Präsenz oberhalb ihrer Atmosphäre geschaffen. Wie es für die Rasse charakteristisch schien, war diese Präsenz in erster Linie militärisch. Binnen kurzem würde es, den Prognosen der Schöpfer zufolge, im erdnahen Raum von primitiven Waffen auf der Basis gerichteter Energie wimmeln. Und für die Wartung der orbitalen Bewaffnung bauten die Menschen Raumstationen und Raumflotten.
SONDE sann über die Entwicklung nach und versuchte sie zu interpretieren. In den vier Jahrzehnten, die sie die Menschen nun schon studiert hatte, schienen sie ständig am Rand des Krieges gestanden zu haben. Dennoch war es ihnen irgendwie gelungen, einen Zusammenstoß zu vermeiden und mit großen Schritten einer wahren Zivilisation entgegenzugehen.
Und dann, im Jahr 1994, schlug ein Machtblock mit seinem ganzen Arsenal gegen den anderen los. Die Ursache – wie so viele menschliche Beweggründe – war nicht auf den ersten Blick ersichtlich, schien aber mit dem schwer greifbaren menschlichen Konzept von Ehre zusammenzuhängen. Zehn Jahre zuvor hätte ein solcher Schlag die menschliche Zivilisation vernichtet.
Die Rettung kam aus einer unerwarteten Ecke, als nämlich die erdumkreisenden Kampfstationen, die inmitten großer Kontroversen ins All geschickt worden waren, sich bezahlt machten. In einem Zeitraum von zwanzig Tagen wurden ganze Wellen von Atomraketen vom Himmel geholt, ehe sie ihre Ziele zu erreichen vermochten. Die ihrer mächtigsten Waffen beraubten menschlichen Führer kamen schnell wieder zur Besinnung, und ein wackliger Waffenstillstand wurde erklärt. Danach erfolgte eine deutliche Änderung in der Signatur der Signale. Wo es der Menschheit zuvor bestimmt gewesen schien, in immer kleinere konkurrierende Gruppen zu zersplittern, schien die Beinahe-Katastrophe sie nun näher zusammenzubringen. Es gab zwar noch Rivalitäten, Drohungen und ein paar »Ausrutscher«, und es herrschte auch weiterhin eine aggressive Rhetorik vor, doch es waren bereits die Ansätze einer planetarischen Regierung zu erkennen.
Schließlich begriff SONDE, weshalb WÄCHTER ihr das Wecksignal gegeben hatte. Die Menschen, die scheinbar so völlig ungeeignet für ihren Zweck gewesen waren, als sie die Signale erstmals aufgefangen hatten, hatten plötzlich ein richtiges Raumfahrzeug entwickelt. WÄCHTER war nämlich auf niederfrequente Gravitationswellen gestoßen, die vom System ausgingen: ein Merkmal von Massekonvertern, die von Singularitäten angetrieben wurden. Die Menschen zeigten also nicht nur Anzeichen kultureller Reife, sondern boten auch einen eindrucksvollen Beweis für kontinuierlichen technologischen Fortschritt.
SONDE gelangte zum Ende der Daten und weiterhin zu dem Schluss, dass der zivilisatorische Stand der Menschen noch nicht exakt definiert werden konnte. Das Problem lag in der Natur der Televid-Signale selbst, von denen die meisten aus ein paar Zentren rund um den Globus stammten und zu Nachrichtensatelliten abgestrahlt wurden, die sie als Relaisstationen wieder zur Erde zurückschickten. Zufällig befand SONDE sich fast direkt auf der Äquatorialebene der Erde und somit auf der Funkstrecke, die
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