Lebenssonden: Roman (German Edition)
himmelwärts zu den erdumkreisenden Nachrichtensatelliten verlief. Die mit diesen Strahlen übertragene Programmierung war für die Masse der Menschen gedacht, deren überwältigende Mehrheit es noch immer tunlichst vermied, sich mit Dingen zu befassen, die ihnen zu schwierig erschienen. Es gab natürlich auch solche, die ihr Leben der Erlangung von Wissen widmeten. Diese Untergruppe kommunizierte aber mit anderen Mitteln als dem der Massenunterhaltung dienenden Televid-System. Für die Wissenschaftler gab es wissenschaftliche Zeitschriften, Transaktionen, Monografien und Handelspublikationen. SONDE identifizierte all diese Begriffe als Verweise auf nicht übertragene Methoden der Informationsverbreitung und -speicherung.
Leider wurden wissenschaftliche Beiträge – wenn überhaupt – nur übers stark gerichtete interplanetarische Kommunikationsnetzwerk übertragen. SONDE vermochte nur mitzuhören, wenn eine Übertragung durch die erdsynchronen Stationen erfolgte oder in ihre Richtung zielte.
Für ein paar Sekunden dachte SONDE über dieses Dilemma nach. Die Zeichen sprachen grundsätzlich für die Menschen, aber die Qualität der Daten war insgesamt doch schwach. Die Datenpunkte hatten einen hohen Streuungsgrad. Es musste etwas getan werden, um den Fokus der Untersuchung zu schärfen. Ein Experiment war vonnöten.
Soweit SONDE es zu sagen vermochte, wähnten die Menschen sich allein im Weltall. Es wäre ein Schock für sie (wie es schon für viele andere einer gewesen war), wenn sie an der Peripherie des Sonnensystems eine außerirdische Maschine entdeckten. Ihre Reaktion auf diese Entdeckung würde zweifellos einem der acht Standardmuster folgen, die Lebenssonden im Lauf der Jahrtausende beobachtet hatten. Die Beobachtung dieses Musters war alles, was SONDE noch brauchte, um eine Entscheidung zu treffen.
SONDE wog die Wahrscheinlichkeit des Risikos ab. Es war unwahrscheinlich, dass die primitiven Schiffe der Menschen sie bei der Durchquerung des inneren Systems abzufangen vermochten. Dennoch bestand ein Restrisiko. Also würde sie – wie die Schöpfer vor langer Zeit verfügt hatten – den Umfang des Experiments begrenzen. Sie würde lediglich das Faktum ihrer Existenz offenbaren und sonst nichts. Bis sie die Menschen besser kannte, würde sie keine Information bezüglich ihrer wahren Natur oder Mission preisgeben.
SONDE zwang sich, Mechanismen zu aktivieren, die seit der Vorstart-Prüfung nicht mehr benutzt worden waren. Zwangsfeld-Spiegel entfalteten sich, und Zielgeräte richteten sie parallel aus. Ein gebündelter Strahl hoch kohärenter Röntgenstrahlen wurde direkt auf die gelbe Sonne gerichtet. Er würde zwölfeinhalb Tage brauchen, um die Erde zu erreichen und bis dahin selbst bei minimaler Streuung bis zur Jupiterbahn sich auffächern. Bald würden menschliche Astronomen einen fremden neuen Stern im Himmel entdecken. Er wäre dreihundert Lichtstunden entfernt und würde nur kohärente Röntgenstrahlen aussenden. Sie würden nicht lange brauchen, um zu erkennen, dass eine solch Quelle nur das Produkt einer außerirdischen Intelligenz sein konnte.
»Prospektor Lügenbaron , hier ist Luna-Anflugskontrolle. Stand-by für Orbitalfreigabe.«
»Stand-by«, sagte Don Bailey von seiner Beschleunigungsliege. Der Controller an seiner Konsole in einer der äquatorialen Mond-Raumstationen und die Station selbst befanden sich noch außer Sicht hinterm Mond, sodass die Nachricht über einen Mondnachrichtensatelliten übertragen wurde.
»Computer auf Aufnahme.«
»Computer bereit zur Aufnahme, Kontrolle.«
Ein hochfrequentes Wimmern ertönte auf einem der Audio-Schaltkreise, gefolgt von: »Das war’s. Bringen Sie die Kiste gemäß den Daten rein, mit denen wir sie gefüttert haben, und Sie werden einen sauberen Anflug hinkriegen. Ich wünsche noch einen guten Tag, Sir.«
»Guten Tag, Kontrolle, und danke.« Bailey wandte sich an Brea Gallagher, die auf der Beschleunigungsliege neben ihm angeschnallt war. »Hast du gehört? Kein Grund zur Sorge.«
»Ha! Er sollte nur mal hier oben sein und sich mit dieser Krücke rumschlagen!«
Baileys Antwort war ein nichts sagendes Grunzen. Brea hatte sich für den größten Teil der monatelangen Reise mit dem Computer um die Lage- und Bahnregelung des Schiffs gestritten. Der Bordcomputer hatte nämlich die unangenehme Angewohnheit entwickelt, überzukorrigieren, wodurch die Lügenbaron immer im falschen Moment instabil wurde – wie auch jetzt wieder, als sie sich
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