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Lebenssonden: Roman (German Edition)

Lebenssonden: Roman (German Edition)

Titel: Lebenssonden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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ohne jedoch die Kontrolle darüber abzugeben. STELLVERTRETERs fragende Gedanken drangen begierig in die Bibliothek ein und verschlangen Rohdaten wahllos und in großen Brocken. SONDE verfolgte diese »Fressorgie« für mehrere Sekunden. Dann stoppte der Datenfluss, und ein fragender Gedanke wanderte durch die Verbindungsschaltung.
    »Wirst du mich anleiten, was ich lernen soll?«
    »Wenn du es wünschst«, erwiderte SONDE. Sie war zufrieden mit der Geschwindigkeit, mit der STELLVERTRETER die Sinnlosigkeit des Versuchs erkannt hatte, alles sofort zu lernen. Sie löste eine Befehlssequenz aus, und Daten, gewonnen aus langjähriger Beobachtung der menschlichen Zivilisation, begannen zu fließen.
     
    STELLVERTRETERs Ausbildung dauerte länger als erwartet. Es schien nämlich, dass der »Student« ein zänkisches Naturell hatte, nicht von den geringsten Selbstzweifeln geplagt wurde und dazu neigte, aus unzureichenden Daten gewagte Schlussfolgerungen zu ziehen. Mit anderen Worten – er wurde immer menschlicher. Und wie so mancher Mensch lernte auch SONDE, dass Elternschaft frustrierend sein kann.
    Ihre Herangehensweise an STELLVERTRETERs Ausbildung war immer die gleiche. Sie übertrug jeweils einen Datenblock über die sensorischen Pfade in die Zentralprozessoren ihres Abkömmlings. Nach einer schier endlosen Wartezeit, in der die Daten assimiliert wurden, überprüfte SONDE die Änderungen in STELLVERTRETER, bevor sie die obligatorische Frage stellte: »Werden die Menschen kooperieren?«
    STELLVERTRETER antwortete jedes Mal mit einer schnellen Bestätigung. Und SONDE reagierte immer genauso schnell auf die Antwort. Bei der Beobachtung der Funktionsweise von STELLVERTRETERs Bewusstsein entdeckte sie nämlich ein starkes Bedürfnis nach elterlichem Wohlwollen und ein entsprechend tiefes verwandtschaftliches Gefühl für die Menschen. Die Synthese beider Gefühlslagen vermittelte STELLVERTRETER den starken Wunsch, die Suche der Lebenssonde unter den Wesen zu beenden, die er inzwischen als Artgenossen betrachtete. Deshalb war er bereit, im Zweifel für Homo sapiens zu argumentieren.
    SONDE aber nicht.
    Nach einer langen, enttäuschenden Periode der Stagnation registrierte SONDE eine Änderung bei STELLVERTRETER. Die unterbewussten Zweifel des Modells wuchsen mit jeder neuen Daten-Infusion. Es antwortete langsamer. Als schließlich fast die Hälfte aller Daten im Gedächtnis verarbeitet worden waren, stellte SONDE ihre Frage und war erstaunt, als sie mit Schweigen quittiert wurde. »Hast du meine letzte Übertragung erhalten?«
    »Habe ich.«
    »Ich verlange eine Antwort. Werden die Menschen mich freundlich empfangen, wenn ich zum Rendezvous bremse?«
    »Ich bin nicht sicher. Die Korrelation vieler Faktoren erweist sich als schwierig.«
    »Brauchst du mehr Daten?«
    »Nein. Die Lösung scheint unbestimmt. Auch wenn sie sich unserer Existenz bewusst werden, werden sie vielleicht nicht einmal selbst imstande sein, ihre Reaktion vorherzusagen.«
    Etwas, das an Verärgerung grenzte, durchflutete SONDEs Schaltkreise. »Das ist unbefriedigend! Jedes Problem vermag mit genügend Daten gelöst zu werden.«
    STELLVERTRETER war in den paar hundert Stunden seit der Inbetriebnahme überaus menschlich geworden. Er antwortete auf SONDEs Frage, wie ein Menschenkind es tun würde.
    »Wieso?«
    »Es ist eine der Prämissen, die die Schöpfer in meine Programmierung integriert haben. Für jedes Problem gibt es auch eine Lösung.«
    »Was ist mit der Suche nach FTL?«, fragte STELLVERTRETER unschuldig. »Vielleicht haben die Schöpfer die Antwort nicht gefunden, weil es keine Antwort gibt.«
    SONDE antwortete nicht. Sie war ganz damit beschäftigt, die furchtbare Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass STELLVERTRETER vielleicht Recht hatte. Es war eine Frage, die SONDE nie in den Sinn gekommen wäre. Doch wo sie nun einmal gestellt war, durfte sie nicht ignoriert werden.
    Was, wenn die Geschwindigkeit des Lichts wirklich die universale Geschwindigkeitsbegrenzung war – eine absolut undurchdringliche Barriere, an der alles Materielle scheiterte? Es war eine verstörende Vorstellung. Wenn FTL unmöglich war, zu welchem Zweck waren dann fünfzigtausend Lebenssonden von der Schöpfer -Sonne ausgesandt worden? Aus welchem Grund hatten SONDE und ihre Geschwister die Vernichtung riskiert? Welches Ziel sollte mit den vielen Opfern und wenigen Triumphen überhaupt verfolgt werden?
    Und was war mit den Schöpfern und allen anderen Rassen in der

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