Lebenssonden: Roman (German Edition)
anzugleichen.«
»Hast du festgestellt, bei welchen von diesen Schiffen es sich um Kriegsschiffe handelt?«
STELLVERTRETER lenkte SONDEs Aufmerksamkeit auf zwei Schiffe – eins stand nahe bei, das andere in einer größeren Entfernung von der Flotte. »Der Kommunikation nach zu urteilen, die zwischen ihnen und dem größten Schiff stattfindet, sind das die Sicherungsschiffe.«
»Und das größte Schiff?«
»Es ist das Schiff, auf das in den Nachrichtensendungen Bezug genommen wird: Dieses alte Kriegsschiff ist die Basis des Projekts Jungadler . Es ist potenziell stärker als die anderen beiden, hat seine Waffen aber nicht aktiviert. Zumindest geht das aus ihren Televid-Signalen hervor.«
SONDE richtete die Aufmerksamkeit auf die Erde. Aus der Perspektive des Treffpunkts hatte sie eine beständige Sichelform. Die Sonne wurde von weißen Wolkenformationen und Polareiskappen auf der Tagseite reflektiert. Auf der Nachtseite des Planeten funkelten helle Lichterteppiche von Städten. SONDE musste sich eingestehen, dass die Szene eine gewisse exotische Schönheit hatte.
»Wie ist die Reaktion von der Erde?«
»Noch keine Reaktion. Die Flotte überträgt Bilder, aber die Signale laufen noch. Der Planet wird frühestens in drei Minuten antworten.« STELLVERTRETER verstummte plötzlich, als ob er wieder abgefangenen Signalen lauschte. SONDE nutzte die Implantate im Bewusstsein ihres Abkömmlings und hörte, dass der Befehl an die Flotte erging, Funkstille zu wahren.
»Das war der Admiral der Friedensdurchsetzung, der das Projekt Jungadler leitet«, sagte STELLVERTRETER, nachdem er Lius Stimme mit einem gespeicherten Nachrichten-Interview verglichen hatte.
»Er steht auf der Liste der Menschen, die wir befragen wollen, nicht wahr?«, fragte SONDE.
»Das wäre nützlich. Meine Kenntnis ihrer individuellen Marotten ist noch unvollständig.«
Für eine Weile gingen von der menschlichen Flotte keine Signale mehr aus. Dann wurde eine andere vertraute Stimme an SONDE abgestrahlt.
»Sie wollen Kontakt aufnehmen«, sagte SONDE zu ihrem Abkömmling. »Antworte ihnen.«
Agusta Meriweather erlebte einen Anfall von Lampenfieber – den ersten in fast dreißig Jahren. Die Symptome quälten sie. Einmal vermochte sie den strengen Gesichtsausdruck des alten Piet Vanderveer nicht aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Piet war in ihrer ersten Amtszeit in dieser erhabenen Körperschaft Oberrichter am Weltgerichtshof gewesen. Sie hatte seit Jahren nicht mehr an ihn gedacht. Eigentlich hatte sie auch jetzt keinen Grund, an ihn zu denken. Aber eine wichtige Lektion, die Mrs. Meriweather in ihrem ebenso langen wie ereignisreichen Leben gelernt hatte, war, auf die Stimme des Unterbewusstseins zu hören. Und diese Stimme schien ihr nun etwas sagen zu wollen. Sie nahm sich einen Moment Zeit, um ihre mentale Verfassung zu reflektieren.
Das Problem war natürlich ihre Befindlichkeit. Dieser erste Tag bei Gericht hatte ihr ein schier überwältigendes Gefühl der Unzulänglichkeit vermittelt. Und nun verspürte sie wieder ein ähnliches Gefühl. Wer hätte je geglaubt, dass diese Göre mit dem schmutzigen Gesicht, Tochter von John Meriweather aus Middle Sussex im Großraum London der erste Mensch wäre, der mit einer fremden Intelligenz kommunizierte? Sie sammelte sich, atmete tief durch und sprach dann die formellen Worte:
»Freundschaft. Ich heiße Sie im Namen der Menschen und Nationen der Erde willkommen. Ich warte, bis Sie so weit sind. Sie können jederzeit mit uns kommunizieren.«
Sofort änderte sich die Abbildung auf dem Hauptschirm, und der adrette Mann, der die Kontaktbotschaft der Sonde übermittelt hatte, schaute mit dem gleichen Ausdruck glückseliger Heiterkeit aus dem Würfel. Als er schließlich sprach, sprudelten die Worte in einer Flut aus Klangfülle und Harmonie heraus.
»Menschen und Nationen der Erde, ich nehme Ihre Grüße entgegen. Ich danke Ihnen für Ihr Willkommen, und ich darf Ihnen nochmals versichern, dass ich in Frieden komme.«
Mrs. Meriweather wartete ein paar Sekunden ab, um sich zu vergewissern, dass er fertig war. Das Bild schaute sie an, ohne zu blinzeln oder zu atmen. Es lächelte bloß.
Sie erwiderte den Ausdruck. »Ich bin Agusta Louise Meriweather. Ich bin zur Botschafterin ernannt und entsandt worden, um Sie zu begrüßen. Eine Delegation, die die Generalversammlung der Vereinten Nationen vertritt, wird in ein paar Tagen ankommen, um formelle Verhandlungen zu beginnen.«
»Wir sind erfreut, Ihre
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