Leberkäsweckle
doch dui Lieferung, des isch doch elles Gruscht!«, rief Frau Spät. Im allgemeinen Gelächter schaffte es Schmid, Frau Rieler ein Stück zur Seite zu nehmen und sie unter einem Vorwand in ihr Büro zu bugsieren.
»Frau Rieler, wir haben ein Problem«, sagte er leise.
»Was ist denn? Wird die Mousse nicht fest?«, fragte sie mit besorgter Stimme.
»Die Mousse ist in Ordnung. Aber im Tiefkühlraum sitzt ein toter junger Mann!«, sagte Schmid schnell und machte sich darauf gefasst, Frau Rieler aufzufangen, falls eine Ohnmacht ihre Reaktion sein sollte.
»Lassen Sie mal«, sagte Frau Rieler ganz unaufgeregt, »ich übernehme das. Machen Sie doch bitte draußen bei den Gurken weiter, Herr Schmid.«
Herr Schmid war mehr als überrascht. Dafür, dass er eben einen Toten im Tiefkühlraum gemeldet hatte, blieb Frau Rieler erstaunlich ruhig und gelassen. Alle Achtung, das hätte er ihr nicht zugetraut. Sie griff zum Telefon, und er sah noch, wie sie in den Hörer sprach, dann zuerst die Stirn in Falten legte und schließlich lächelte. Tja, dachte Herr Schmid, der Tod hatte offensichtlich auch seine lustigen Seiten.
Von lustig konnte bei Pfarrer Leonhard nun wirklich nicht die Rede sein. Er kam keinen Schritt weiter. In seiner Kirche saß immer noch eine Leiche, und er konnte keine Amtsperson ausfindig machen, die sich der Sache annahm. Schirmer war im Krankenhaus, und von diesem Kommissar Knöpfle war weit und breit nichts zu sehen.
Er überlegte schon, ob er Grießinger in Beutlingen anrufen sollte. Den Veschperkommissar, wie man ihn hier in der Gegend nannte, den man immer wieder mal mit seinem alten Daimler die Steige hinaufkriechen sah. Aber das konnte und wollte er nicht machen. Er wusste um die gewissen Animositäten zwischen den Pfenningern und den Beutlingern. Das gab nur böses Blut, wenn er sich jetzt an den Beutlinger Kriminalbeamten wandte. Aber was sollte er tun?
Die Kirche war abgeschlossen, da konnte nichts mehr passieren. Es war ja auch schon genug passiert. Vielleicht konnte er Kommissar Knöpfle im »Da Maria« erwischen. Er wusste, dass Knöpfle dort hin und wieder Mittag machte. Das wäre eine Möglichkeit, und weit war es auch nicht.
Pfarrer Leonhard ging an den Rathäusern und dem Innenausstattungsgeschäft vorbei in Richtung Pizzeria. Der Knöpfle wird Augen machen, dachte er.
Die Augen machte eher Bürgermeister Hans Bremer.
»Hallo, hallo! Ja gibt’s das denn? Da meldet sich niemand! Haben wir ein Polizeirevier, oder haben wir keines?« Er war außer sich. Im Ort war nun wirklich nicht viel los, und ausgerechnet wenn man die Herren Polizisten dann mal brauchte, waren sie unterwegs!
»Und jetzt? Was mach ich jetzt? Ich hab hier eine Leiche!«, schrie Bremer auf den Anrufbeantworter, dann knallte er den Hörer mit Schmackes in die Station. Die Ansage, sich doch an das Beutlinger Revier zu wenden, hatte er gar nicht mehr gehört.
Sie hatten die Situation besprochen. Nachdem der Bürgermeister sich vom ersten Schock erholt hatte, war er zu seiner Frau gegangen und hatte sie in den Arm genommen. Viel Sinnvolles war ihm allerdings nicht eingefallen.
»Des hett’s doch et braucht«, sagte er sanft und strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
»I lieb de doch«, sagte sie leise und hielt sich krampfhaft an seiner Hand fest.
»Hast du es gewusst?«, fragte er.
»Heit, heit hannes dann erfahra!«
»Woher?«
»Sie hot mir die Hos brocht«, sagte sie leise.
»Welche Hose?«, fragte er.
»Die Hos von der Feier, wo du net warsch, ond die du mit Rotwei versaut hättsch, die Hos!« Ihre Stimme wurde fester, anklagender.
»Ach so, die Hose …« Mein Gott, konnte man auch so blöd sein und mit der Hose des Liebhabers bei der Frau des Liebhabers in der Tür stehen? Die Elfriede, das war schon so eine. Gewesen, dachte er, gewesen, leider. Denn die konnte im Bett schon Sachen … Aber das gehörte jetzt wirklich nicht hierher. Er hatte ein Problem. Ein großes Problem.
»Du warst das nicht!«, sagte er bestimmt. »Es ist einer hereingekommen, hat sich das Gewehr geschnappt und auf Elfriede geschossen. So war’s. Das sagst du, wenn die Polizei kommt.«
»Wenn sie dann kommt«, sagte sie.
Er hatte eigentlich auch keine Hoffnung mehr, dass sie kommen würde. Pfarrer Leonhard saß im »Da Maria« und dachte nach. Den Tod hatte er nicht festgestellt. Das nicht. Er hatte die Person nur sitzen sehen und gleich gedacht, gleich gefühlt – ein Pfarrer konnte das –, die ist tot. Es war so ein Trauma
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