Leberkäsweckle
allem die Pfarrer, dachte Gott und schüttelte den Kopf. Sicher, kein leichter Job in dieser Zeit der zunehmenden Gottlosigkeit. Diese Konsumorientiertheit war wahrlich ein Ding des xxxxx (den Namen wollte er nicht einmal denken). Aber er hatte nichts dagegen unternehmen können. Die alten Geschichten zogen nicht mehr. Der barmherzige Samariter war längst in Vergessenheit geraten. Er sah sie doch, die leeren Gesichter, die ausdruckslosen Blicke, wenn ein Mensch am Wegesrand saß und bettelte. Er kannte die Gedanken, er wusste um das Gezeter, von wegen die Banden, die das ausnutzten und ihre Leute gezielt in die Fußgängerzonen schickten. Aber war das eine Ausrede? Für ihn, Gott, nicht. Da gab es nichts zu denken, seiner Ansicht nach. Vielen dort unten ging es so gut, dass es eigentlich eine Schande war, und Überfluss war für ihn einfach ein Zuviel, ein Zuviel, das es zu verteilen galt. Er hatte sich da schon Gedanken gemacht, vor allem seit der Kommunismus mit recht vernünftigen Gedanken, aber halt von Menschen umgesetzt, gescheitert war. Die sollten dann mal sehen, da unten.
Er wandte den Blick wieder nach Pfenningen. Insgesamt war da dort heute einiges los. Da passierte Fall nach Fall, und die Polizei hechelte hinterher. Der Schriftsteller hatte da wohl noch einiges vor, dachte Gott, aber auch er hatte noch die eine oder andere Idee für dieses Spiel dort unten. Die Pfenninger würden Augen machen, wenn sie das dann in der Zeitung und später auch im Buch lesen würden. Vor allem dieser Kommissar Knöpfle.
Der kniete im Dreck. Die paar Knöchelchen, die außer einem recht großen Beckenknochen zutage gekommen waren, lagen an der Seite, und er versuchte, mit einer kleinen Schaufel noch mehr davon ans Tageslicht zu befördern. Allzu viel war ihm noch nicht zu diesem Fall eingefallen, seit er angefangen hatte, im Erdreich zu graben. Aber was sollte er machen? Das konnten Knochen von einem Menschen sein oder halt auch nicht. Auf den ersten Blick wusste er es nicht zu sagen. Also, was tun? Schirmer wäre vielleicht eine Lösung eingefallen, aber von dem sah und hörte man schon den ganzen Tag nichts.
Frustriert warf er die Schaufel zur Seite und rief die Spurensicherung der Beutlinger Kriminalpolizei an. Die sollten genau klären, um was für Knochen es sich hier handelte. Frieder und Alfred, die ihm die ganze Zeit mit ihren Bierflaschen in der Hand zugesehen hatte, prosteten sich gut gelaunt zu, denn schließlich hatten sie nach ihrer Einschätzung heute einen Toten am Georgenberg entdeckt. Sie würden in die Zeitung kommen, eine Sache, die vor allem Frieder freute.
Als Knöpfle sein Telefonat beendet hatte, wich ihre gute Laune allerdings Knöpfles Verärgerung: »Die Beutlinger Kollegen sind schon in Pfenningen. Ein Toter in der Mensa!« Dabei sah er die beiden alten Männer anklagend an. »Und ich war nicht da! Ich bin hier auf dem Georgenberg und schaue mir alte Knochen an!« Er stampfte wütend auf, setzte sich auf einen Baumstumpf und schwieg verschnupft.
Alfred und Frieder sahen sich schuldbewusst an. Armer Kerl, der Kommissar Knöpfle.
Armer Kerl, dachte auch Frau Rieler, als sie in der Spülküche Herrn Schmid sitzen sah.
Eine solche Aufregung hatten sie hier noch nicht erlebt. Über zweihundert Schüler hatten es sichtlich genossen, dass hier mal was abging. Da marschierten diese beiden Polizisten in ihren Kampfstiefeln durch die Küche. Freilich zogen die auch bald wieder ab. Aber die Schüler hatten was zu reden, und die Gerüchte brodelten, und wie! Herr Schmid konnte sich vor Fragen kaum retten und saß in der Spülküche, völlig mit den Nerven am Ende. Seine Hände hielten einen großen Rührlöffel krampfhaft fest, und sein Blick stierte auf die laufende Spülmaschine, als ob er das Bedürfnis hätte, einfach mal etwas Funktionierendes zu sehen. Die letzten Arbeiten wurden erledigt, und Frau Rieler überlegte, ob sie vielleicht etwas zur Aufarbeitung des Geschehenen beitragen konnte. In der letzten Fortbildung hatten sie eine Einheit gemacht, die womöglich jetzt was bringen konnte. »Deeskalation in der Krise, kritische Situationen in der Gemeinschaftsverpflegung« war das Thema dieses Seminars gewesen. Sie versuchte sich zu erinnern: die Gruppe sammeln, ablenken und dann das Problem vereinfachen und Lösungsvorschläge kommunizieren.
Das war wieder mal die pure Theorie. Sammeln konnte sie von der Gruppe grade mal noch die Hälfte, die andern waren längst auf dem Weg nach Hause. Sei’s
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