Leberkäsweckle
ausgestattet mit zum einen Gottvertrauen und zum andern auch Selbstvertrauen, denn sonst hätte er diesen Beruf nie ausüben können. Aber: Mit beidem war es gerade nicht weit her.
Körperlich fühlte er sich so weit fit, hatte aber durchaus genickt, als Schwester Sigrid ihn gefragt hatte, ob er vielleicht geistlichen Beistand wünsche. Ein bisschen bereute er diesen schnellen Entschluss jetzt allerdings, ein Pfarrer, der geistlichen Beistand wünschte, das war ein wenig wie der Klempner, der jemand kommen ließ, um einen Wasserhahn zu reparieren. Sei’s drum, immer noch ein wenig angeheitert mit den zwei Vierteln Chianti im Blut ließ sich der Pfarrer den Pfarrer einfach mal so kommen.
Pfarrer Mikrisch war schon auf dem Korridor. Interessante Sache, mal ein Kollege. Er hatte wie immer die Gitarre dabei und seine selbst geschriebenen Texte. Mal sehen, dachte er, er kannte den Kollegen nicht und konnte so sein übliches Programm nicht abrufen. Und er wollte sich gerade für einen Kollegen etwas Besseres einfallen lassen, mehr Theologie, weniger Firlefanz.
Nach Jahren in Gemeinden und einigen Vorkommnissen, die ihn von diesen Gemeinden auch wieder Abschied hatten nehmen lassen, war er hier in der Klinik gelandet. Es gefiel ihm, es war sein Reich, hier war er der Pfarrer, und die Schäfchen wechselten in der Regel laufend. Aber ein Kollege war ihm bisher noch nicht untergekommen, und er wusste noch nicht so recht, ob er sich freuen oder doch eher ein wenig Respekt vor der Aufgabe haben sollte. Ach, er würde einfach offen darauf zugehen und sein Eröffnungslied mit der Gitarre singen, dann ein Gebet und die Möglichkeit zur inneren Einkehr, gemeinsames Glaubensbekenntnis und abschließend einige Minuten stilles Gebet, dann Vaterunser, Segen und aus. Der Kollege war anscheinend körperlich fit, nur im Kopf ein wenig durcheinander, ein Unfall wohl und eine Sache in der Christuskirche, wobei aber niemand so recht wusste, worum es dabei ging. An der betreffenden Tür angekommen, klopfte er, ging hinein und sah das Bett – leer.
Ein gewisses Gefühl der Leere empfand auch Kommissar Knöpfle im Haus des Bürgermeisters.
»Dann ist es eben passiert«, sagte der Bürgermeister gerade zu ihm und Schirmer.
»Wie passiert?«, erlaubte sich Knöpfle nachzufragen.
»Na, sie haben dort gesessen, und dann fiel der Schuss von draußen«, antwortete der Bürgermeister.
»Herr Bremer«, versuchte nun Schirmer einzugreifen, »von draußa, dohanna end Virtrin, für wie bled haltet Sie ons eigentlich?«
»Der Schuss ging halt durch«, kam es zögernd vom Bürgermeister.
»Wo durch?«, fragte Knöpfle.
»Durch den Kopf von der Elfriede halt«, kam es zurück.
Kommissar Knöpfle schüttelte nur den Kopf. Es gab alles, es gab viel, aber was heute, an einem einzigen Tag, in Pfenningen passiert war, das reichte sonst für mehrere Jahrzehnte.
»Ond wie war’s jetzt wirklich?«, fragte Schirmer in Richtung Frau Bremer.
»Ich hab die Waffe gereinigt«, sagte sie leise.
»Ond no?«
»Hot sich der Schuss glöst«, antwortete Luise.
»Aha«, meinte Schirmer nur und schickte einen vielsagenden Blick in Richtung Knöpfle.
»Und der hat rein zufällig die Frau Schuckerle mitten ins Gesicht getroffen«, bemerkte Knöpfle lapidar.
»So war es eben«, sagte die Frau des Bürgermeisters.
»Ond Sie reiniget efters die Waffa von Ihrem Mann?«, setzte nun Schirmer nach.
»Manchmol«, kam es zögernd zurück.
»Ond heit, ausgrechnet beim Kaffee mit dr Nochberin, do reiniget Sie, ond des Gwehr isch glada?«
»Wia mer halt nebaher so schafft!«, sagte Luise Bremer mit dem empörten Selbstbewusstsein einer rechtschaffenen schwäbischen Hausfrau.
»Ond«, sagte Schirmer.
»Wie und?«, fragte Luise.
»Wie isch des? Jemanden erschossen zu haben?«
Der Bürgermeister hatte sich derweil ins Unvermeidliche geschickt, stand einigermaßen gefasst neben seiner Frau und wartete ab, wie sich die Dinge entwickeln würden. Nun sah er den Zeitpunkt gekommen, seiner Frau zur Seite und auch zu sich zu stehen.
»Es ist halt passiert, so wie sie sagt«, warf er ein.
Kommissar Knöpfle ging um die Blutlache herum, zwang sich zu einem Blick auf das Opfer, denn das motivierte. In diesem Haus befand sich ein Mörder oder eher eine Mörderin. Kein Totschlag, nichts Zufälliges, Emotionen, ja, aber wenig entlastend. Also Vorsicht, langsam rantasten, gezielte Fragen stellen und Unsicherheit produzieren, nur so würde das gehen. Und vor allem Schirmer
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