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Leberkäsweckle

Leberkäsweckle

Titel: Leberkäsweckle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Weiler
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Gelegenheit nutzen, hier und jetzt eine Karriere als Laienprediger zu beginnen.
    Sehr weit würde er da allerdings nicht kommen, dachte Pfarrer Leonhard, als Ignaz sich nun, mitten im Gottesdienst, anschickte, den Segen zu sprechen. In der Gemeinde wurde es unruhig: Klara Rottwald war im Begriff aufzustehen und das Gotteshaus zu verlassen. Die Witwe, noch in Tränen, weil ihr Bruder den Pfarrer geschlagen hatte, schaute verwirrt auf.
    Es war dringend an der Zeit, wusste Pfarrer Leonhard, aber wie machen? Ihn streifte ein Lufthauch von draußen. Windzug, das war eine gute Idee, dem Herr sei Dank. Er schlug die Tür der Sakristei mit solchem Schmackes zu, dass fast die Glocke im kleinen Turm darüber zu klingen begonnen hätte.
    Das konnte nun auch Ignaz nicht überhören. Er wandte den Blick hinüber zur Tür, die Pfarrer Leonhard inzwischen wieder geöffnet hatte, und sah den Herrn, also seinen Herrn, mit einer Miene, die ihm ein leicht unsicheres Gefühl in die Beine jagte und ihn sehr schnell von der Karriere als Laienprediger Abschied nehmen ließ.
    Dann ging alles ganz flugs. Ängstlicher Blick Ignaz’ ob des pfarrerlichen Gesichts, erzürnter Blick des Pfarrers Richtung Ignaz, Ignaz in die Sakristei, Pfarrer auf die Bühne, Ignaz wieder dahinter. Alles in Ordnung, sollte man meinen. Nur: Pfarrer Leonhard hatte seine Karteikarte nun diesmal wirklich echt total vergessen. Er stand vor der Trauergemeinde wie ein Bild des Schreckens. Das Gesicht zu einer Fratze verzerrt. Das eine Auge war jenseits von Gut und Böse, und auch das andere war inzwischen zu. Pfarrer Leonhard behauptete zwar hinterher, er hätte schon noch Licht und Schatten, also hell und dunkel, unterscheiden können, die meisten hielten das aber für ein Gerücht.
    Alfred Rottwald hingegen erfreute sich ganz anders als der arme Pfarrer bester Gesundheit und Laune. Das hier würde funktionieren, da war er sich sicher. Sein Fahrrad war gerichtet. Gut, die Sache hatte sich dann doch nicht in der Sonne, sondern wegen des kurzen Regengusses in der Garage abgespielt. Aber er war recht zufrieden mit sich. Der alte Drahtesel stand poliert und technisch in einwandfreiem Zustand vor ihm. Jetzt war nur noch die Frage, wohin er die Probefahrt machen sollte. Er räumte das Werkzeug auf, fegte die Garage aus und brachte die Bierflasche in den Keller. Bei der Bierflasche fiel es ihm dann ein. Der Frieder, der war doch an einem solchen Spätnachmittag sicherlich in seinem Gütle. Also setzte er sich auf sein Fahrrad und radelte gen Georgenberg.
    Der Frieder, den er zu treffen hoffte, war noch auf dem Weg. Und wie das so ist mit dem Gehen, Schritt für Schritt wirst du ruhiger, sammelst dich und findest so etwas wie deine Mitte. So weit war der Frieder jetzt auch, in etwa. Wo die Barbara abgeblieben war, das trieb ihn nicht mehr um. Die war schließlich Frau genug, nun ja, ihre Frau zu stehen. Er hatte seine Schuldigkeit getan, gesucht und nicht gefunden. Dann halt heut Abend. Dann halt später.
    Aber für den Streifenwagen, da hatte er inzwischen einen prima Plan entwickelt. Wenn er mit der hellen Dispersionsfarbe die blauen Streifen übertünchen könnte, dann wäre es möglich, den Wagen in der Dämmerung, also dunkel müsste es schon sein, also lieber in der Dunkelheit hinunter in die Stadt zu fahren und dann hinter dem Kommissariat abzustellen. Da wäre dann ja niemand mehr, und am nächsten Morgen würden sie Augen machen!
    Entsetzte Augen wurden gemacht im Trauergottesdienst für den Gewerkschaftler. Denn wo auch immer und wie auch immer die Gewerkschaftsbewegung stand, das hatte sie nicht verdient. Pfarrer Leonhard hatte in der ganzen Aufregung die Verwechslung vergessen und war sich nicht mehr klar, wer denn eigentlich nun in diesem Sarg lag. Die Trauergäste sah er praktisch nicht. Lesen war unmöglich, und so aus dem Gedächtnis, das war noch nie seine Stärke gewesen. Klara Rottwald meinte hinterher, es sei furchtbar gewesen.
    Für Pfarrer Leonhard war es die Hölle. Das wollte er mit seinem Gott auch noch mal besprechen, denn es gab Situationen, dachte er, da gehst du nach vorne, weil du Pfarrer bist, weil du Glaube und Mut hast und auch noch eine Überzeugung. Stehst hin. Und? Wirst fast gesteinigt.
    Er hätte sich das nicht zutrauen sollen. In seinem Kopf war Chaos, und bei allem Glauben dachte Pfarrer Leonhard dann: Rutscht mir doch den Buckel runter. Ihm war jetzt alles egal. Vor seinem inneren Auge schwirrten Bilder von Konstruktionen vorbei, von

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