Leberkäsweckle
Stolperfallen an Kirchentreppen, von Kommissarsgesichtern auf seiner Windschutzscheibe. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Er musste sich auch keinen Reim darauf machen. Er wollte nur diese Beerdigung hinter sich bringen und dann ganz schnell einen Antrag auf eine Kur beim Oberkirchenrat einreichen. Er konnte nicht mehr.
All dies ging dem armen Pfarrer durch den Kopf, als er mit Müh und Not den Segen sprach. Er dankte Klara Rottwald hinterher dafür, dass sie sozusagen die Souffleuse gemacht hatte. Jetzt noch der Weg zum Grab, dann konnte er sich wieder sich und seinem Leben widmen und wieder er selbst werden, innerlich und natürlich auch äußerlich.
Er schritt der Trauergemeinde voran. Dahinter die Witwe mit dem vermaledeiten Bruder und anschließend die restlichen Trauergäste. Der Gewerkschaftschor gab noch eine Zugabe und sang ein noch kurzfristig einstudiertes »Ich hatt’ einen Kameraden«.
Ein wenig feierlich war das jetzt schon, dachte Klara Rottwald und erinnerte sich bei all dieser Feierlichkeit an ihre Hochzeit und ihren Mann. Den hatte sie jetzt auch schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Wo der sich wohl gerade rumtrieb?
Nun, rumtreiben konnte man das nicht nennen, dafür war Alfred zu stationär. Sehr stationär.
Dr. Sommerwagen, der leitende Stationsarzt der Beutlinger Notaufnahme, hatte so etwas noch nicht gesehen, obwohl er gerade aus Pfenningen in letzter Zeit schon so manches zu sehen bekommen hatte. Wie man sich bei einem Sturz vom Fahrrad mit viel Glück zwar nicht den Kopf anschlagen, dafür aber so ziemlich alles, was zu brechen war, brechen konnte, das war ihm ein Rätsel.
Alfred auch. Er hatte eigentlich nur die Kurve nicht gekriegt, weil er halt zu schnell gewesen war, dann plötzlich Frieder vor ihm gestanden hatte und dann auch noch die Bremsen nicht so funktioniert hatten, wie er das in diesem Moment gebraucht hätte. Es könnte an seinem Putzfimmel liegen, dachte Alfred mit Blick über seine zahlreichen Gipsbandagen und Verbände. Aber er hatte den alten Stahlfelgen halt mal was Gutes tun wollen, hatte sie schön gereinigt und anschließend mit etwas Öl eingerieben. Da hatten die Bremsklötze dann keine Chance gehabt.
Frieder saß besorgt an seinem Bett. Er war froh, dass der Alfred einigermaßen, nicht gerade mit dem Schreck, aber doch immerhin nur mit Knochenbrüchen davongekommen war. Auch er war bis ins Mark erschrocken, als dieser Kamikazefahrer plötzlich vor ihm aufgetaucht war, der sich als sein Freund Alfred herausstellen sollte.
»Ich werde der Klara Bescheid geben«, sagte er nun zu Alfred. »Sie wird dann bestimmt bald kommen. Ich muss jetzt gehen, hab noch was zu erledigen.«
»Geh nur. Danke, dass du mitgekommen bist. Die Klara war, als ich losgefahren bin, noch nicht zu Hause. Sie wird bei den Beerdigungen sein.«
»Dann schreib ich ihr einen Zettel, und wir schauen später noch mal vorbei«, sagte Frieder, stand auf, klopfte Alfred auf die Schulter, bedachte nicht die multiplen Verletzungen und erinnerte sich erst wieder daran, als Alfred einen lauten Schmerzensschrei ausstieß.
»Tut mir leid«, sagte Frieder, »hab’s vergessen.« Er ging zur Tür und wollte eben die Klinke in die Hand nehmen, als diese sich scheinbar wie von selbst senkte. Eine Schwester betrat das Zimmer, es folgten ein Bett und ein Pfleger.
»Na, aber hoppla«, konnte Frieder grade noch sagen, als er dem Tross auswich. Der Pfleger schob das Bett in Position, meldete der Schwester Vollzug und entfernte sich.
»Nun haben Sie auch noch Gesellschaft aus Pfenningen«, sagte die Schwester mit freundlichem Lächeln.
Frieder und Alfred, der nur mühsam den Kopf zur Seite drehen konnte, staunten nicht schlecht. Der da recht bewusstlos neben ihnen im Krankenhausbett lag, war ihnen wohlbekannt. Alfred wusste nicht so recht, was er auf die Schnelle davon halten sollte, dass sie ihn ausgerechnet ihm an die Seite legten. Aber da lag er nun mal, der Mann, der die Seelen der Pfenninger seit Jahren betreute: Pfarrer Leonhard. Den hätten sie hier nun wirklich nicht erwartet.
Ähnliches dachten sich auch die zwielichtigen Gäste des »Atlas-Grill«, als sie diese Witzfigur in der Tür stehen sahen.
Hans Bremer war unsicher. Er war den Test angegangen, hatte sich verkleidet und geschminkt. Den Hut noch drauf, dann war er losgegangen.
Schon von Weitem hatte er gesehen, dass der »Atlas-Grill« geöffnet hatte. Licht fiel fahl aus den Fenstern auf die Straße. Am Eingang hatten ein
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