Leberkäsweckle
Pfarrer.
Pfarrer Leonhard ließ die Witwe mit einer Ausrede in der Gräberreihe stehen und ging zurück zum Eingang der Aussegnungshalle. Dort stand der Bruder mit unvermindertem Fragendrang.
»Wo ist denn meine Schwester? Kann man den Toten denn jetzt noch einmal sehen?«, wollte er aufgeregt wissen.
»Seien Sie ganz beruhigt, Ihre Schwester wollte noch zum Familiengrab hinüber«, antwortete Pfarrer Leonhard.
»Aber wir haben hier gar kein Familiengrab«, gab der Bruder zurück.
»Dann vielleicht das Grab einer anderen Familie?«, sagte Pfarrer Leonhard und setzte eine fragende Miene auf. Der Bruder überlegte. Das dauerte wieder einen wichtigen Moment.
»Die Schickles vielleicht?«, fragte er schließlich.
»Genau«, sagte Pfarrer Leonhard und nahm sich vor, dies alles wahrhaftig zu bereuen. Mehr war evangelisch halt nicht drin. Nun drückte er sich nur noch die Daumen, und tatsächlich, nochmals danke nach oben, der Bruder machte sich in der Witwe entgegengesetzter Richtung auf die Suche nach seiner Schwester. Pfarrer Leonhard triumphierte innerlich. Nun war es bald vollbracht. Er musste nur noch die Witwe aus dem Gräbergang holen, dann würde die Sache klappen.
Ob die Sache klappen würde, das war auch für Hans Bremer die Frage. Er stand am Ludwig’schen Marktstand und sprach mit dem Chef, Gärtner Ludwig, seines Zeichens auch stellvertretender Vorsitzender des örtlichen Handels- und Gewerbevereins. Der hatte ihn sich, kaum erkannt, gleich gegriffen und ihn hinter den Stand auf eine Bank gesetzt.
Was kam jetzt?, fragte sich Bremer und erfuhr es sogleich.
Er habe heute mit einigen Kunden geredet, begann Gärtner Ludwig, was er ja gerne tue, und heute sei das Thema Preise mal wieder in jedem zweiten Gespräch aufgetaucht, und er müsse nun einmal einem Mann der Politik klarmachen, was dies für ihn als Kleinunternehmer bedeute, wenn in gewissen Supermärkten Obst und Gemüse zu einem Preis angeboten würden, zu dem er es beim besten Willen nicht verkaufen könne und auch nicht wolle. Es täte ihm leid, wenn er, also Bremer, das jetzt als ein Vertreter, als führender Vertreter einer herrschenden Politik nun alles gesagt bekäme, aber es sei so und es sei wichtig. Ob er einen Kaffee wolle.
»Was?«, fragte Bremer überrascht.
»Einen Kaffee vielleicht?«, fragte Ludwig noch mal.
»Gerne«, antwortete Hans Bremer. Und er genoss den Moment, nur diesen kurzen Moment, den der Großgärtner zum Holen des Kaffees benötigte, um sich zu sammeln, zu sortieren, kurz, um seine Gedanken zu ordnen.
Das tat auch Kommissar Knöpfle. Er hatte sich am Kiosk eine Zeitung gekauft. Hatte am Verkaufstresen gestanden und sich einer lächelnden, einer sehr heftig lächelnden Frau gegenübergesehen. Er meinte beinahe, dass ihm ein wenig Gelächter hinterhergeschwappt war, als er sich, Zeitung unterm Arm, verabschiedete.
Warum das so gewesen war, das wurde ihm schnell klar, nachdem er die ersten Absätze des Zeitungskrimis überflogen hatte, der in einer Sonderbeilage der Zeitung abgedruckt war. Das konnte doch nicht angehen, das war doch einer von hier, da hatte einer doch nicht dichtgehalten! Da wusste doch einer zu viel!
Der Autor hieß Dnreb Reliew, was war das überhaupt für ein Name? Knöpfle griff zum Hörer, aber die Nachfrage in der Redaktion ergab, dass der Text ohne weitere Angaben zur Zeitung gelangt sei. Nur der Name sei unter dem Text gestanden, was die Sache für Knöpfle nicht weniger rätselhaft machte.
Er zerbrach sich den Kopf, aber es fiel ihm auf Anhieb niemand ein, den er auch nur entfernt verdächtigen könnte, dies alles gewusst und geschrieben zu haben. Und ausgedacht, beim besten Willen, ausgedacht konnte sich das erst recht keiner haben. Da war ja alles drin. Der das geschrieben hatte, der war ja irgendwo in seinem Kopf und noch in anderen Köpfen, der wusste Sachen, die wusste er bis zum heutigen Tag noch nicht!
Er spürte beim Nachdenken, das war sein Fall, der erste echte Fall des Kommissar Knöpfle. Diesen Schreiberling würde er zur Strecke bringen, über kurz oder lang.
So hätte es Hans Bremer zur gleichen Zeit nicht formuliert. Über kurz oder lang ging hier gar nichts. Er war inzwischen bei der dritten Tasse Kaffee, und sie hatten nun alles, aber auch alles von der Situation des Einzelhandels, des Kleinunternehmers als Einzelhändler und die steuerliche Situation beider Gruppen aufs Genaueste beleuchtet. Also, beleuchtet hatte der Großgärtner, er, der Bürgermeister, hatte
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