Leberkäsweckle
Sekundenzählmethode hatte er zwar begonnen, die Zeit zu schätzen, die sie unterwegs waren, aber irgendwann war es ihm zu blöd geworden, und er hatte damit aufgehört.
Nach etwa einer halben Stunde, vielleicht auch nur einer Viertelstunde, hatten sie ihn in eine Art Kellergeschoss verfrachtet, das konnte er selbst mit dem Jutesack über dem Kopf riechen. Den hatten sie ihm dann abgezogen und ihn in einen kleinen Raum hineingestoßen. Hier saß er nun, vor ihm eine Flasche mit Wasser und ein kalter Hamburger. Natürlich ein Quetschbrötchen von dieser Fast-Food-Kette. Das hätte nicht sein müssen, dachte Bremer, entführt, na ja, eingesperrt, nicht so toll, aber dann auch noch ein solcher Fraß, das ging doch zu weit.
Er versuchte, seiner Situation etwas Positives abzugewinnen. Immerhin hatte er den Litauer kennengelernt. Der hatte ihm, bevor die Tür zugeschlossen worden war, erklärt, er müsse jetzt erst einmal hierbleiben, bis die Aktion vorbei sei. Welche Aktion, das hatte Bremer nicht begriffen. Aber er kannte den Litauer, das war doch schon mal was. Allerdings, wenn er genauer drüber nachdachte, dann konnte das auch sein Todesurteil bedeuten. Aber davon ließ sich ein Hans Bremer die Laune nicht versauen. Er musste versuchen, hier irgendwie rauszukommen.
Bremer durchsuchte seine Taschen, aber das Einzige, was sie ihm gelassen hatten, war der Einkaufszettel seiner Frau und einen verknautschten Zehn-Euro-Schein. Das könnte klappen, dachte er. Hatten die Krimifolgen, die er sich angeschaut hatte, doch ihren Sinn gehabt, denn da hatte sich einer mit einem Zettel aus einer vergleichbaren Situation gerettet. Das würde er jetzt auch probieren. Er suchte auf dem Boden nach etwas, mit dem er schreiben konnte. Fand auch sehr schnell ein kleines Stückchen Holzkohle. Damit schrieb er seine Adresse auf die Rückseite des Zettels und noch groß » HILFE « darüber. Mit Hilfe eines Manschettenknopfes klemmte er Zettel und Zehn-Euro-Schein zusammen. Dieses kleine Päckchen warf er, so weit er konnte, zum Kellerfenster hinaus. Das konnte, das musste klappen.
Als er Hans Bremer bei seinen Bemühungen zusah, musste Gott schmunzeln. Der Mann war so was von weg von einer Wirklichkeit. Zettel aus dem Fenster werfen, und dann würde schon der große Befreier auftauchen und ihn raushauen. Von wegen, dachte Gott, den würde er noch eine kleine Weile in seinem Verlies schmachten lassen. Diese Mordgedanken hatte er ihm noch nicht verziehen. Das tat man nicht, das hatte er doch dem Moses schon auf die Tafeln schreiben lassen. Aber anscheinend waren Tafeln geduldig.
Er beschloss, beim Bremer ein wenig einzugreifen. Der Zettel würde gefunden und auch ausgeführt werden. Die Luise würde nicht schlecht staunen, wenn morgen Vormittag eine Frau vor ihrer Tür stand und ihr die so dringend gewünschten Einkäufe brachte. Sie würde den Kopf schütteln, ihren Mann verfluchen und einen Notartermin vereinbaren. Der Hans hätte sich dann lange genug über sie lustig gemacht. Sie wollte nun ein Ende.
Das wollten die beiden Streifenpolizisten auch. Sie standen an der Tür zu Schirmers Büro. Heiner ging vor, sie stellten sich vor seinen Schreibtisch und salutierten. Schirmer sah auf.
»Schlüssel«, sagte er nur.
»Äh«, sagten die beiden Polizisten.
»Was?«, fragte Schirmer.
»Ist zusammengebrochen, ausgegangen. Der fuhr nicht mehr«, sagte Heiner.
»Send ihr denn wahnsinnig?«, schrie nun Schirmer so laut, dass Knöpfle im Nebenraum fast der Telefonhörer aus der Hand fiel. Er kam nachschauen, was jetzt schon wieder los war.
»Was ist?«, fragte er in die illustre Runde.
»Dia hend mei Auto kaputt gmacht!«, rief der aufgebrachte Schirmer.
»Wie? Kaputt gemacht?«, fragte Knöpfle.
»Der R4 ist halt stehen geblieben«, meinte Heiner.
»Und wo ist das Problem?«, wollte Knöpfle wissen.
»Äh, wir könnten ihn abschleppen, aber wie du weißt, ist unser Streifenwagen immer noch verschwunden«, sagte Heiner kleinlaut. Hoffentlich kamen sie einigermaßen glimpflich aus dieser Sache raus.
Dem war der Frieder sehr nahe. Er war mit einigermaßen wenig Aufsehen durch die Stadt gefahren und hatte den Wagen hinter dem Polizeirevier abgestellt.
Er hatte sich noch überlegt, einen seiner ehemaligen Kollegen von der örtlichen Zeitung anzurufen. Ein schönes Bild würde das von ihm gestaltete Auto schon abgeben. Vor allem der Hut auf dem Blaulicht machte sich ganz hervorragend. Zur Sicherheit hatte er selbst noch mit dem Handy ein
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