lebt gefaehrlich
einen blauen Stein hervor, der an einer Schnur um seinen Hals hing. »Das.«
Anyeta lächelte. »Das ist dein böses Auge, Dimitri. Das gehört zu deiner Verkleidung. Alle türkischen Kinder tragen es zum Schutz gegen böse Geister.«
Störrisch schüttelte der Junge den Kopf. »Ist mehr, Anyeta. Großmama hat mir gegeben in Sofia.«
Anyetas Augen wurden schmal. »In Sofia?« fragte sie überrascht.
»Ja. Ist hohl innen. Für Geheimnisse.«
»Allah möge uns schützen!« sagte Anyeta erstaunt. »Jetzt verstehe ich langsam - aber was kann das sein?«
Mrs. Pollifax lächelte. »Magdas Altersversorgung, denke ich«, sagte sie, und der letzte Rest des Rätsels war gelöst.
Goru kam plötzlich zurück und berichtete Anyeta hastig mit aufgeregter, atemloser Stimme. Anyetas Augen wurden schmal. Sie nickte und wandte sich an Mrs. Pollifax. »Der Mann mit dem Spitzbart hat seine Arbeit mit dem Radio im Flugzeug beendet und kommt zurück ins Lager. Goru bittet Sie, sofort zu Ihren Freunden zu gehen und sich wieder fesseln zu lassen.«
Mrs. Pollifax fügte sich Anyetas befehlenden Worten. Sie fragte Anyeta Inglescu: »Kommen Sie nicht mit?«
Die Zigeunerin lächelte. »Ich kann nicht gehen«, sagte sie. »Seit fünfzehn Jahren nicht mehr.«
»Oh, das tut mir leid«, sagte Mrs. Pollifax überrascht.
Goru war wieder verschwunden. Der kleine Dimitri zupfte Mrs. Pollifax am Ärmel und führte sie zurück zu dem Baum.
»Donnerwetter!« sagte Colin, als er sie sah. »Mrs. Pollifax! Warum, zum Teufel, haben Sie nicht zu fliehen versucht?«
»Es ist alles in Ordnung, Colin - wirklich.«
»In Ordnung? Aber Sie werden doch wieder gefesselt.«
Mrs. Pollifax drehte sich um und sagte eindringlich: »Hören Sie mir gut zu, Colin, aber antworten Sie nicht. Der Junge versteht Englisch.«
»Wirklich?«
In diesem Augenblick näherte sich ihnen Dr. Belleaux mit großen Schritten.
Zuerst ging er zum Lagerfeuer und sah sich Magda an. Er bückte sich, fühlte ihren Puls und richtete sich wieder auf. Er winkte die Zigeuner heran und sprach mit ihnen. Beredet breitete er die Arme aus, lächelte, zeigte auf Magda, dann auf Mrs. Pollifax und Colin.
Dabei wurde seine Stimme immer schärfer und verächtlicher.
»Der geborene Volksredner«, knurrte Colin. »Bestes HydePark-Material.«
»Haben Sie irgend etwas mitbekommen?«
»Nur das Wort Töten, das mit ermüdender Eintönigkeit wiederkehrt«, sagte Colin trocken.
Dr. Belleaux führte seine Zuhörer zu der kleinen Gruppe der Gefangenen. Mit flinkem Griff zog Dr. Belleaux ein Messer hervor. Er schien einen der Zigeuner aufzufordern, es zu verwenden. Zu Mrs. Pollifax' Überraschung trat Goru vor und packte das Messer. Die Zigeuner jubelten ihm begeistert zu.
Andächtig und liebevoll betastete Goru die scharfe Klinge. Seine Miene jagte Mrs. Pollifax einen kalten Schauer über den Rücken. Sie blickte in die verschlossenen Gesichter der Zigeuner, sah das siegessichere Lächeln Dr. Belleaux', und böse Zweifel erwachten in ihr. Sie hatte sich freiwillig wieder fesseln lassen und war nun völlig hilflos. Sie dachte an das Geld, das die jungen Zigeuner ihr abgenommen hatten - es war ein kleines Vermögen. Die Zigeuner hatten Magda wieder. Was lag ihnen also noch an ihr oder Colin oder dessen Onkel, an Sandor, im Vergleich zu dem Vermögen, das sie ins Lager gebracht hatten? Diesen Reichtum mußten sie zurückerstatten, wenn sie sich entschlossen, sie zu retten. Sie hatte Anyeta vertraut, aber die Frau war ein Krüppel. Und wenn Goru ihr nicht glaubte oder nicht auf sie hörte? Besaß sie überhaupt Macht über die Leute?
Vielleicht war es nur eine List gewesen, Mrs. Pollifax zur Rückkehr zu diesem Baum zu überreden? Und sie war prompt in die Falle gegangen.
Goru lachte plötzlich. Er rief einen der Zigeuner zu sich und befahl ihm, einen Krug zu bringen. »Icki«, sagte Goru zu Dr. Belleaux und hielt ihm den Krug entgegen. Dr. Belleaux seufzte ungeduldig, nahm ihn aber an. Ein anderer Zigeuner verteilte Krüge an Stefan und Assim. Plötzlich hatten sämtliche Zigeuner Krüge in den Händen.
Wollten sie auf ihre Ermordung trinken? fragte sich Mrs. Pollifax.
»Das gefällt mir nicht«, sagte Colin leise.
Dr. Belleaux gefiel es anscheinend auch nicht. Gereizt hob er den Krug an die Lippen, trank ihn leer und warf ihn zu Boden. Goru trank langsam, lächelte Dr. Belleaux an und schmatzte genießerisch.
Wütend entriß Dr. Belleaux ihm das Messer. »Budala!« zischte er und wandte sich an Mrs. Pollifax. »Genug
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