lebt gefaehrlich
Onkel, von einem Mädchen namens Sabahat und von den Zigeunern.«
Magdas Lachen schlug plötzlich in Weinen um. Schluchzen schüttelte sie.
»Laß sie weinen«, sagte Mrs. Pollifax zu dem Jungen und tätschelte seine Schulter. »Das erleichtert sie. Sie hat viel durchgemacht.«
Magdas Tränen versiegten, und sie schlief ein. Sie hatte den Schlaf auch bitter nötig, wenn sie genügend Kräfte sammeln sollte, um innerhalb von vierundzwanzig Stunden ein Flugzeug zu besteigen. Mrs. Pollifax kroch wieder in ihre Ecke im Wagen. Wie ernst ihre eigene Lage war, hatte sie in dem Augenblick vergessen, da sie Dimitri getroffen hatte. Der Junge hatte das Böse Auge aus seinem zerschlissenen Hemd gezogen, und jetzt wußte Mrs. Pollifax, daß weder sie noch Magda noch deren Enkel irgendeinen Wert für Dr. Belleaux hatten. Von Anfang an hatte er es auf mehr abgesehen. Magda war nach ihrer Entführung nicht ermordet worden, und somit stand fest, daß den Kommunisten nicht viel an dem lag, was Magda wußte. Sie wollten den greifbaren Beweis haben, den Magda durch den Eisernen Vorhang geschmuggelt hatte.
Erst wenn der wieder in ihrem Besitz war, würden sie Magda zum Schweigen bringen. Also mußten Magda und der blaue Stein aus der Türkei verschwinden. Selbst Dimitri durfte unter diesen Umständen nichts mit Magdas Abreise zu tun haben. Vielleicht konnte Colin nach dem Jungen sehen, bis er die notwendigen Reisedokumente beisammen hatte. Über ihre eigene Zukunft gab sie sich keinen Illusionen hin, und das Gefängnis war nicht geeignet für ein Kind.
Die Karawane hielt an. Goru begab sich an das Ende des Wagenzugs und sprach mit Colin. Der Lastwagen wurde weggebracht, und kurz darauf sprang Colin zu Mrs. Pollifax auf den Karren. Die Batterie des Lastwagens hatte er ausgebaut.
»Wohin haben Sie den Laster gebracht?« erkundigte sich Mrs. Pollifax ne ugierig.
»Dort drüben liegt ein verlassenes Dorf, wie man es überall in Anatolien findet. Eine Quelle versiegt, und die Leute ziehen weiter und gründen ein neues Dorf. Ich habe den Laster in eines der Häuser gerammt, das noch ein Dach hat.« Erblickte zum Himmel auf. »Jetzt ist es knapp nach drei Uhr. In etwa einer Stunde graut der Morgen, und sobald es hell ist, wird uns der verdammte Hubschrauber wieder suchen.«
»Ja, der Hubschrauber!« Mrs. Pollifax seufzte.
Beim kalten Licht des anbrechenden Tages überquerten sie die erste Hauptstraße, seit sie Yozgat verlassen hatten. Hintereinander rumpelten die Karren über die Straße. Goru wies jeden einzelnen ein. Dann nahmen sie ihre Fahrt nach Süden wieder auf.
»Das wird die Straße von Kayseri nach Kirsehir gewesen sein«, sagte Colin schlaftrunken. Mrs. Pollifax hörte kaum hin.
Als sie wieder die Augen öffnete, war Magda wach. Dimitri hatte seinen Kopf in ihren Schoß gebettet und war eingeschlafen. Die aufgehende Sonne tauchte den Himmel in zarte Pastellfarben. Mrs. Pollifax bemerkte, daß Magda Onkel Hu unverwandt anblickte. Magda winkte Mrs. Pollifax zu sich. »Der Mann dort - ich weiß nicht... Woher kam er?« sagte sie. »Er - er war eben einfach da«, sagte Mrs. Pollifax humorvoll. »Er sieht einem alten Bekannten unheimlich ähnlich.« »Wirklich?«
»Jemand, den ich seit - ach - mindestens fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen habe. Ich habe mich oft gefragt, was wohl aus dem Mann geworden sein mag. Trotzdem hatte ich mir eingebildet, ihn vergessen zu haben, bis ich diesen Mann sah. Er hat die gleiche Adlernase...«
Mrs. Pollifax betrachtete Onkel Hu, der in seiner Decke vergraben war, und sagte: »Mehr als seine Nase ist auch nicht von ihm zu sehen. Wer ist denn der Mann, an den er Sie erinnert? Hoffentlich ein anständiger Mensch?«
»Ja. Ich habe in meinem ganzen Leben nur zwei Männer geliebt. Meinen ersten Mann Philippe - man hielt ihn für einen reichen französischen Playboy, aber das war nur Tarnung. Er war ebenfalls Agent.« Sie sah Mrs. Pollifax an. »Er war für sein Land - für Frankreich - bei der Abwehr tätig. Wir waren erst ein Jahr verheiratet - da wurde er ermordet.«
»Von wem?«
»Damals hießen sie die Roten«, sagte Magda. »Aber sie haben ihn nicht nur ermordet, sie erweckten auch den Anschein, als hätte ich es getan. Er ist mit meiner kleinen Pistole erschossen worden, auf der meine Fingerabdrücke waren. Und man hat einen falschen Zeugen gestellt, der sich als mein Geliebter ausgab. Es war Erpressung. Am liebsten hätte ich Selbstmord begangen, aber ich erwartete ein Kind. Sie wußten nicht,
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