Lee, Julianne
Männer ahnten, und konnten nur innerhalb der Stadtmauern von Edinburgh befriedigt werden.
Aber die Zeit verstrich, die Nacht brach herein, und nichts geschah. Während die Männer dösten, saß Ciaran hellwach am Feuer und lauschte den vereinzelten Gesprächen. Irgendwer erzählte, der Prinz habe Befehl gegeben, dass einige Truppen zu den Stadttoren vorrücken sollten. Lochiels Camerons huschten bereits umher, packten ihre Sachen zusammen und bereiteten sich für den Aufbruch vor. Aus einem Impuls heraus beschloss Ciaran, sich ihnen anzuschließen.
Er sprang auf, zupfte sein Plaid zurecht und begann, die Mathesons mit leichten Tritten in die Rippen zu wecken. Hier bot sich ihnen die Gelegenheit, unter den Ersten zu sein, die in Edinburgh einmarschierten. Er befahl den schlaftrunkenen Männern, sich bereit zu halten und sich zu den anderen zu gesellen, ohne auf ihr unwilliges Gemurmel zu achten. Die dreißig Mathesons fielen inmitten der Hunderten von Camerons, die die ohnehin geschwächten Verteidiger der Stadt einschüchtern sollten, überhaupt nicht auf.
Am Stadttor wurde ihnen der Einlass verwehrt, was niemanden sonderlich überraschte. Lochiel versuchte erst zu verhandeln, dann bedrohte er die Stadtwache. Die Armee stand marschbereit da, um die Stadt einzunehmen, doch ganz am Ende der Kolonne bekamen die Männer nicht mit, was vorne am Tor vor sich ging. Schläfrige Mathesons saßen auf Steinen oder auf dem Boden, murrten leise vor sich hin und wünschten sich offenbar nichts anderes, als zu ihren Feuern zurückkehren zu können. Ciaran jedoch wartete geduldig ab. Er wollte unbedingt in die Stadt hinein. An Schlaf war für ihn nicht zu denken.
Doch plötzlich sprangen die Männer am Ende des Trupps zur Seite, um der Kutsche Platz zu machen, die die Abordnung aus Edinburgh aus dem Lager der Jakobiten zurückbrachte. Die Menge bildete eine schmale Gasse, und der Wagen rollte langsam auf das Tor zu. Ein Lächeln spielte um Ciarans Mundwinkel, als er sich an seine Leute wandte. Das wahre Ziel seiner hoffnungslosen Mission lag in greifbarer Nähe. »Haltet euch bereit«, befahl er, als
eine Welle von Jakobiten direkt hinter der Kutsche auf das Tor zuschwappte.
Die Kutsche erreichte das Tor, und die Wachposten auf anderen Seite der Stadtmauer öffneten die schweren hölzernen Flügel, um die Delegation einzulassen. Im selben Moment erhob sich unter den Jakobiten ein vielstimmiger Schrei, und der ganze Trupp stürmte geschlossen hinter der Kutsche durch das Tor. Edinburgh war eingenommen.
Ciaran hielt sich mit seinen Männern dicht an den Fersen der Camerons. Die Besetzung der Stadt verlief unblutig, die Einwohner Edinburghs leisteten keinen Widerstand. Rotröcke waren nicht zu sehen, wahrscheinlich hielten sich alle in der außerhalb der Stadtmauern gelegenen Garnison auf. Nur die Stadtmiliz war zurückgeblieben, um die Tore zu bewachen. Während er sich durch die nach Unrat stinkenden, von hohen Steinhäusern gesäumten Straßen treiben ließ, hielt Ciaran überall nach Leah Ausschau. Aber es war stockfinster, und die wenigen Gesichter, die er sah, kamen ihm wie verzerrte, verschwommene helle Flecken vor.
»Ich kann sie nirgendwo entdecken«, flüsterte er der Fee zu.
»Och«, machte Sinann. »Hast du gedacht, sie hat nichts Eiligeres zu tun, als auf die Straße zu rennen, um nach dir zu suchen.«
Tatsächlich hatte er insgeheim diese leise Hoffnung gehegt Er warf der Fee einen bitterbösen Blick zu und sah sich wieder nach Leah um. Die Jakobiten steuerten auf das auf dem Gipfel des Felsens, auf dem Edinburgh lag, erbaute Tolbooth zu. Ein paar Einwohner jubelten ihnen zu, was einigen Soldaten sichtlich gefiel. Ciaran ließ sich jedoch nicht tauschen. Er wusste, dass sie in dieser Stadt nicht wirklich willkommen waren.
Da er immer noch überall nach Leah suchte, war er vollkommen überrumpelt, als plötzlich eine Frau auf ihn zugestürzt kam, ihm die Arme um den Hals schlang und ihn abküsste, bis er sie unsanft wegstieß. Sie leckte sich grinsend die Lippen. Ihre Augen funkelten, und ihre Wangen glühten erregt.
Die Mathesons brüllten vor Lachen, obgleich Ciaran dem Ganzen nichts Lustiges abgewinnen konnte. Angewidert wischte er sich mit dem Handrücken den Mund ab. Calum hielt sich den Bauch und kicherte so heftig, dass er kaum noch Luft bekam, und Aodán wackelte in einer grotesken Nachahmung der Frau mit der Zunge. Diese wandte sich jetzt an Eóin, der ihren Kuss mit weit größerer Begeisterung
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