Lee, Julianne
Ciaran nach.
Häufig betete sie für seine Sicherheit. Sie flehte Gott an, den Unruhen in den Highlands ein Ende zu bereiten und ihn heil und unversehrt nach Glen Ciorram zurückkehren zu lassen. Wieder einmal wünschte sie, alles könne wieder so sein wie früher, und sie fühlte sich betrogen, weil ihr in so kurzer Zeit so viel genommen worden war.
Eines Tages, als Edwin im Wohnzimmer saß und laut aus dem Edinburgh Courant vorlas, lachte er plötzlich höhnisch auf und teilte den stumm bei ihm sitzenden Frauen mit: »Hier heißt es, Charles Stuart sei irgendwo in den Highlands gelandet.«
Da Leah während des Rittes nach Süden von den Dragonern einigen Klatsch aufgeschnappt hatte, wusste sie bereits Bescheid, aber sie sagte nichts. Sie vermutete, Stuarts Ankunft sei auch der Grund dafür, dass die Dragoner ihres Vaters in die Garnison von Edinburgh verlegt worden waren, aber sie schwieg, wie sie auch im Laufe der vergangenen Wochen geschwiegen hatte, und arbeitete weiter an dem Hemd, das sie für Ciaran nähte.
Auf die Manschetten stickte sie in braunem Garn ein kompliziertes Muster ineinander verschlungener Bären. Die Körperproportionen der Tiere fielen zwangsläufig wenig wirklichkeitsgetreu aus, doch dafür waren die Köpfe mit den mächtigen Fängen umso besser gelungen. Während sie mit halbem Ohr zuhörte, wie Edwin über die Jakobiten schimpfte, fragte sie sich wehmütig, ob Ciaran das Hemd wohl jemals tragen würde.
Edwin räsonierte weiter, wobei er den untersten Knopf seiner zu knapp sitzenden Brokatweste öffnete. »Anscheinend hat Stuart eine Bande von Halunken und Halsabschneidern um sich geschart, mit der er durch das Land zieht. Einen festen Plan scheint
er nicht zu verfolgen. Naja, was kann man von so einem undisziplinierten Haufen schon erwarten?« Er schüttelte die Zeitung aus, kratzte seinen Bauch und fuhr fort: »Nach all dem, was ich so über die Highlander gehört habe, würde ich sagen, es grenzt an ein Wunder, dass ihr Anführer sie dazu bringt, alle in dieselbe Richtung zu marschieren.« Er kicherte in sich hinein, ohne zu bemerken oder sich darum zu kümmern, dass niemand seine Belustigung teilte. Martha sah aus, als würde sie überhaupt nicht zuhören, aber Leah, die sie inzwischen recht gut kannte, wusste, dass ihr kein Wort entging.
Sie spähte zu Edwin hinüber. Was für ein Narr er doch war! Sie war in den Highlands gewesen und wusste, was für ein Menschenschlag dort lebte. Ihrer Meinung nach täte König Georg gut daran, einem Kampf mit Highlandschotten wie Ciaran Matheson und seinen Männern aus dem Weg zu gehen.
Martha sagte mit leiser Stimme, aber vollkommen ernst: »Ich habe gehört, dass sich die Franzosen bereitmachen, hier im Firth zu landen und dass der junge Prinz über eine zehntausend Mann starke Truppe verfügt.«
Leah warf ihr einen überraschten Blick zu. Die Frau schien weit besser informiert zu sein als ihr Mann, aber sie zeigte sich auch gegenüber allem, was um sie herum geschah, wesentlich aufgeschlossener als er. Die Neuigkeiten lösten in Leah eine Welle des Entsetzens aus. Sie fürchtete sowohl um Ciaran als auch um ihren Vater. Den Blick starr auf ihre Näharbeit gerichtet, kämpfte sie die aufsteigenden Tränen nieder und hoffte, niemand würde ihre Angst bemerken.
Edwin schmatzte abfällig mit den Lippen. »Alles Gerüchte. Martha, du gibst zu viel auf das Geschwätz der Dienstboten. Du solltest lieber gar nicht darauf achten, denn sie erfinden die wildesten Geschichten, um ihre Herrschaft in Angst und Schrecken zu versetzen. Ich bin entsetzt, dass du dieses Gewäsch ernst nimmst.«
»Hältst du das alles für bloße Ammenmärchen?« Martha schien von dem Spott ihres Mannes wenig beeindruckt.
»Stuart ist ein Fremder und noch dazu ein Katholik. Gott würde nie zulassen, dass so ein Mann unser Land regiert.« Nach dieser Bemerkung herrschte lange Zeit Stille, während Edwin seine Zeichnung las und Martha ruhig weiternähte.
Doch nach einer Weile spielte ein Lächeln um ihre Lippen. »Es wird außerdem behauptet, Stuart habe die Unterstützung der schottischen Episkopalkirche.«
Edwin zog verächtlich die Nase hoch. Sein teigiges Gesicht lief rot an. »Diese Schotten und ihre seltsamen Vorstellungen von Loyalität! Meiner Meinung nach sind sie alle verrückt. Machen mit den schmierigen Hochlandpapisten gemeinsame Sache.« Dann murmelte er in sich hinein: »Ein hinterhältiges Völkchen, diese Katholiken.«
Leah warf ihm einen bösen Blick
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