Lee, Julianne
zu. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Zwar war auch sie der Überzeugung, der Katholizismus könne nicht der wahre Glaube sein, aber sie hätte Edwin zu gerne gesagt, dass er sich in Bezug auf die Katholiken irrte. Doch sie konnte nicht die heiligen Prinzipien des Vetters infrage stellen, nicht in seinem eigenen Heim und nicht, so lange sie von ihm und seiner Großzügigkeit abhängig war.
Stattdessen schloss sie die Augen und sprach ein weiteres Gebet für Ciaran.
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Mitte September lagerten die Truppen von König James bei Slateford, zwei Meilen außerhalb der Stadtmauern von Edinburgh. Seit dem Entrollen des Banners war fast ein Monat verstrichen, ohne dass sie einen Rotrock zu Gesicht bekommen hätten. Viele der Soldaten hielten es insgeheim mit der Gegenseite, und sogar die königstreuen hannoveranischen Generäle zogen es vor, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Sie verspürten wenig Lust, ihr Leben und das ihrer Männer im Kampf gegen König James aufs Spiel zu setzen.
Die Erregung unter den Jakobiten schlug hohe Wellen. Ciaran scherzte mit seinen Männern, während sie am Lagerfeuer saßen und auf Befehle des Prinzen warteten. Calum kauerte ganz in seiner Nähe und säuberte sein Schwert. Dabei lag das übliche unbekümmerte Lächeln auf seinem Gesicht. Anscheinend hatte er für die Zeit dieses Feldzuges den Hass auf seinen Bruder auf Eis gelegt und konzentrierte sich jetzt auf seinen noch größeren Hass auf die Engländer. Er schärfte wie besessen sein Schwert und ließ sich dabei ausführlich darüber aus, was er mit dieser Waffe anzustellen beabsichtigte.
Calum vibrierte geradezu vor Energie; er brannte darauf, endlich zu töten. Ciaran wusste nicht, was er davon halten sollte. Einerseits war er froh, dass der Bruder zumindest in einem Punkt mit ihm einer Meinung war, andererseits war er nicht sicher, ob all diese Mordlust wirklich nur gegen die Sassunaich eingesetzt werden würde.
Calum war nicht der Einzige, den eine innere Unrast ergriffen hatte. Viele der auf dem Feld lagernden Männer bauten ihre Anspannung ab, indem sie zu Dudelsackklängen tanzten oder am Feuer Karten spielten.
Calum deutete mit dem Kinn zur Quelle der Musik hinüber. »MacGregors. Ich war eben dort, und da habe ich erfahren, dass beide Spieler Söhne von Rob Roy sind.«
Ciarans Interesse erwachte augenblicklich. Er schaute zum Lagerfeuer der MacGregors hinüber. »Tatsächlich?«
»Aye. Sie heißen James und Robin MacGregor, und James erinnert sich noch genau an meinen Vater.«
Heiße Röte stieg Ciaran in die Wangen, und er warf seinem Bruder einen giftigen Blick zu. Calums Vater! Doch Calum tat so, als sei nichts geschehen, und fuhr fort: »Er hat mir viel über Pa erzählt. Er und Seumas Glas waren die besten Schwertkämpfer unter Robs Männern. Abgesehen von Rob selbst, versteht sich.«
Ciaran verstummte und blickte über das Feld hinweg. Dylan Dubh hatte um die Zeit von Ciarans Geburt mit Rob Roy Viehraubzüge angeführt. James MacGregor war Ende Vierzig und da-
mals alt genug gewesen, um sich an manche Dinge zu erinnern. Vielleicht konnte er ihm etwas über Connor Ramsay und seine Mutter erzählen. Vielleicht hatte er Ramsay sogar gekannt - wusste wie er ausgesehen hatte — und konnte Ciaran die eine Frage beantworten, die ihm so auf der Seele lag. Er brauchte nur zu dem anderen Lagerfeuer hinüberzugehen, MacGregor in ein Gespräch zu verwickeln und würde dabei vielleicht die Wahrheit erfahren.
Doch stattdessen wandte er den Blick ab und starrte in das Feuer vor ihm. Was nützte ihm die Wahrheit, wenn sie nicht dem entsprach, was er hören wollte? Was, wenn Robin wirklich gelogen hatte? Das Risiko war zu groß, zu viel stand auf dem Spiel. Also blieb er, statt zu MacGregor zu gehen, am Feuer sitzen, seufzte und hörte zu, wie Calum Geschichten aus der Zeit vor dreißig Jahren erzählte, als Dylan Dubh mit Rob Roy gemeinsame Sache gemacht hatte.
Plötzlich schoss von einem der MacDonald-Feuer eine Flamme in die Höhe, und Ciaran schaute hoch, um zu sehen, was dort vor sich ging. Ein paar noch sehr junge MacDonalds lachten so heftig, dass ihnen die Tränen über die Wangen liefen. Dann erhob sich einer von ihnen, drehte dem Feuer den Rücken zu, hob seinen Kilt und bückte sich. Ciaran grinste und stieß seinen Bruder in die Rippen. Calum machte die anderen Männer auf das Geschehen am Feuer aufmerksam, und schweigend beobachteten die Mathesons, wie sich der junge MacDonald anschickte,
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