Lee, Julianne
Prinz geruhte, weitere Befehle auszugeben. Sie drängten sich auf dem Rasen unterhalb der prächtigen mittelalterlichen Türme mit den mit bleiüberzogenen Spitzen und fluchten leise vor sich hin.
Die runden Türme erinnerten Ciaran an Tigh a'Mhadaidh Bhàin, nur waren sie viel mächtiger, bestanden aus braunem Stein und wiesen riesige Glasfenster auf. Diese Burg war einst als Residenz für Könige erbaut worden, das Haus des weißen Hundes nur als Herberge für die einheimischen Lairds. Holyrood war ein weitläufiger Komplex, bestehend aus einer Abtei, zahlreichen Nebengebäuden und prachtvollen Gärten. Ciaran fragte sich, wie die Burg wohl von innen aussehen mochte. Er hatte noch nie ein so prunkvolles Gebäude betreten, und soweit er wusste auch sein Vater und Großvater nicht.
Keiner der einfachen Soldaten wurde in den Palast beordert, also richteten sich die Männer auf dem ihnen zur Verfügung stehenden Gelände so gut ein, wie es eben ging. Trotz gegenteiliger Anweisungen wurden hier und da kleine Feuer entfacht, aber keiner der Offiziere befahl, sie wieder zu löschen. Eine fast greifbare Spannung lag in der Luft. Alle wussten, dass ein Kampf unmittelbar bevorstand, denn das konnte der einzige Grund dafür sein, dass sie so unvermutet aus dem Schlaf gerissen worden waren. Die drohende Gefahr machte Offiziere wie gemeine Soldaten gleichermaßen nervös. Ungeduldig warteten sie auf neue Befehle des Prinzen.
Die Nacht brach herein, die Clansmänner wickelten sich in ihre Plaids und legten sich auf dem Boden zum Schlafen nieder. Erst im Morgengrauen kamen die Befehle. Die Nachricht, dass die Rotröcke über den Wasserweg gekommen, bei Dunbar gelandet seien und außerhalb von Edinburgh in eine Schlacht verwickelt werden sollten, verbreitete sich rasend schnell. Die Jakobiten formierten sich und marschierten aus der Stadt heraus. Ciaran gelang es, seinem kleinen Trupp einen Platz ganz vorne in der Kolonne zu sichern. Die Männer brannten darauf, sich endlich im Kampf zu behaupten. Auch Ciaran wurde von einer freudigen Erregung erfasst, wahrend er seine Mathesons auf ihre erste Bewährungsprobe vorbereitete.
Sie kamen nur langsam voran, denn die Befehlshaber wollten vermeiden, den Engländern auf für die Jakobiten ungünstigem Gelände entgegentreten zu müssen. Am nächsten Nachmittag wurden die Rotröcke gesichtet, als die Armee des Prinzen einen Hügelkamm bei Tranent östlich von Edinburgh entlangmarschierte. Ciaran war klar, dass Cope nicht beabsichtigte, seine Truppen vorrücken zu lassen. Zu allen Seiten standen ihnen Hindernisse im Weg: ein breiter Wassergraben im Süden, Bauernhöfe im Westen, ein Sumpfmoor im Osten, und hinter ihnen lag das offene Meer. Wieder einmal wollte Cope seine Leute schützen, statt sie in einer Schlacht zu verschleißen. Die Jakobiten legten eine Rast ein, um etwas zu essen und sich auszuruhen, bis die Sonne ganz untergegangen war.
Der Prinz beriet sich mit seinen obersten Befehlshabern und ritt dann los, um die Gegend zu erkunden und herauszufinden, wie er sich den Rotröcken am besten nähern konnte, während die Clansleute weiter warteten. Ciaran und seine Männer drängten sich Wärme suchend eng zusammen, denn sie waren dem Feind schon zu nahe, als dass sie es wagen durften, Feuer zu machen. Ciaran schlang seinen Plaid eng um sich und döste vor sich hin. Bald würde es zu einem Kampf kommen, und er würde zum ersten Mal in seinem Leben Menschenblutvergießen müssen. Auf all seinen gegen die MacDonells gerichteten Raubzügen hatte er stets darauf geachtet, nie einen Menschen zu töten. Jetzt fragte er, wie man sich wohl fühlen mochte, wenn man ein Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Was hatte sein Vater dabei empfunden?
»Fee?«, flüsterte er.
Keine Antwort.
Beschwörend wisperte er wieder: »Fee ...«
»Mein Name ist Sinann.« Ihre Stimme erklang ganz dicht an seinem Ohr, und er empfand ihre Nähe als seltsam tröstlich.
»Fee, warst du dabei, wenn Pa in die Schlacht zog?«
»Aye.«
»Wie hat er sich da verhalten? Hatte er Angst?«
»Nicht mehr und nicht weniger als jeder andere vernünftige Mann auch. Aber er kämpfte mit einer Tapferkeit, die ich bei keinem anderen Mann je wieder gesehen habe.«
»Hat er viele Sassunaich getötet?«
»Aye. Mehr als genug, würde ich sagen.«
Ciaran verstummte und fragte sich, ob er sich wohl ebenso wacker schlagen würde. Er hoffte es zumindest. »Bleibst du während des Kampfes auch in meiner Nähe?«
»Aye. Ich
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