Lee, Julianne
Sache war inzwischen so sehr geschwunden, dass die Soldaten des Prinzen den halben Morgen damit zubrachten, immer wieder durch die Straßen zu patrouillieren, um den Eindruck größerer Truppenstarke zu erwecken. Ciaran musterte die Gesichter der wenigen Leute, die sich eingefunden hatten, um bei der Parade zuzuschauen. Niemand schien sich von dieser Farce tauschen zu lassen.
Die Mathesons wurden in einer Schenke neben dem Friedhof einquartiert, wo sie sich drei kleine Kammern teilen mussten. Ciaran erhielt das einzige Bett in einem der Räume, weitere Privilegien bescherte ihm sein Rang nicht mehr. Nachschub blieb aus, der Sold wurde nur sporadisch ausgezahlt, Nahrungsmittel waren knapp. Die Männer verbrachten den Tag nach Heiligabend dösend in ihrer Unterkunft und warteten auf weitere Befehle. Ciaran fühlte sich erschöpft und elend und spürte eine Erkältung herannahen. Acht andere Mathesons saßen oder lagen im Raum herum und ließen einen Krug Ale kreisen, den sie immer wieder aus einem Fass in der Ecke auffüllten. Ciaran trank dankbar. Das Ale linderte die Schmerzen in seiner Brust und seine Enttäuschung über das Verhalten des Prinzen.
Seumas Og, der unter heftigem Durchfall litt, hockte auf dem Nachttopf, was seine Kameraden dazu veranlasste, ob des Gestanks die Nase zu rümpfen.
»Och«, stöhnte Donnchadh, »kannst du das Fenster öffnen, Alasdair? Ich glaube, dein Bruder hat etwas gegessen, von dem er besser die Finger gelassen hätte.«
Alasdair rüttelte an einem Fensterflügel. Endlich gelang es ihm, ihn ein Stück aufzuschieben. »Da lag doch gestern ein Hund auf der Straße, der dürfte gut eine Woche tot gewesen sein. Hat er dir geschmeckt, Seumas Og?«
Ciaran stöhnte, als sich sein ohnehin schon angegriffener Magen umzudrehen drohte. »Halt den Mund, Alasdair. Warte, bis er fertig ist, und stell den Topf dann draußen auf das Fensterbrett.«
Der arme Seumas Og lief purpurrot an, als er erneut von Krämpfen geschüttelt wurde.
»Ich habe solchen Hunger, dass ich sogar einen toten Köter verspeisen würde«, murmelte Donnchadh.
Calum stand wortlos auf und verließ den Raum. Ciaran sah ihm nach.
Eóin, der Calum gleichfalls nachdenklich gemustert hatte, wartete, bis er außer Hörweite war, bevor er leise sagte: »Aodáns Tod lässt ihn durchaus nicht so kalt, wie er vorgibt.«
»Es hat uns alle schwer getroffen. Schlimm, was mit dem armen Kerl passiert ist.« Ciaran kniff die Augen zusammen, um das Bild von Aodáns blutigem, abgehäutetem Leichnam auszublenden. Er war wegen Verrat am König hingerichtet worden, und sie alle wussten, dass ihnen dasselbe Schicksal drohte, wenn der Aufstand mit einer Niederlage endete.
Seumas Og erhob sich mit einem erleichterten Seufzer vom Nachttopf, klappte den Deckel zu und reichte den Topf Alasdair, der ihn auf das Brett draußen vor dem Fenster stellte.
Eóin fuhr an Ciaran gewandt fort: »Ich habe mich nur gefragt, ob dir das auch aufgefallen ist.«
»Aye, natürlich. Schließlich ist er ja trotz allem mein Bruder.« Ciaran wälzte sich im Bett herum und überlegte, ob seine Gliederschmerzen wohl eher von der feuchten Kälte im Raum oder vom Fieber herrührten. Es waren keine Torfballen mehr da, um Feuer zu machen, die Männer mussten sich in der engen Kammer dicht aneinander drängen, um sich zu wärmen.
Calum kehrte mit einem Krug Whisky zurück, nahm seinen
Platz auf dem Boden wieder ein, trank einen Schluck und reichte
den Krug dann an Ciaran weiter. »Hier, das ist gut gegen deine Erkältung.«
Ciaran stützte sich auf einen Ellbogen, schnupperte an dem
Krug und fuhr zurück, als ihm der scharfe Geruch in die Nase stieg. »Och, wie bringst du es nur über dich, Whisky zu trinken, der nicht aus unserer eigenen Brennerei kommt?«
»Etwas anderes war nicht aufzutreiben. Trink. Entweder bringt das Zeug dich um, oder deine Erkaltung wird besser. Auf jeden Fall lindert es den Schmerz.«
Ciaran grunzte, zuckte die Schultern und nahm einen Schluck. Der Whisky rann wie flüssiges Feuer durch seine Kehle und schien dann seinen Magen in Flammen zu setzen. »Das ist Hexenpisse«, japste er.
Die Männer lachten. Ciaran trank erneut, denn seine Gliederschmerzen ließen tatsächlich nach. Dann reichte er Eóin den Krug, sank auf sein Bett zurück und kostete die wohlige Benommenheit aus, in die ihn das Getränk versetzte.
»Der Prinz hat sich in sein Quartier zurückgezogen und lässt niemanden zu sich, heißt es«, bemerkte Donnchadh.
»Das
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