Lee, Julianne
stimmt nicht«, Widersprach Seumas Og. »Er macht einer hübschen jungen Frau den Hof.«
Gregor spitzte die Ohren. »Der Prinz hat eine Geliebte?«
»Nein«, erwiderte Ciaran. »Sie ist eine Freundin von ihm, weiter nichts.«
»Er treibt es mit ihr«, beharrte Seumas Og.
»Nein. Er versucht, sie zu überreden, ihm Geld zu geben, damit er unseren Sold bezahlen und Vorräte kaufen kann.«
Seumas Og verschränkte die Arme vor der Brust und hob das Kinn. »Das glaube ich nicht. An uns hat er doch überhaupt kein Interesse mehr.«
»Sei doch still«, schnauzte Eóin ihn an. »Du klingst wie ein abgewiesener Liebhaber.«
»Ich wollte doch nur...«
»Sei still, habe ich gesagt!« Eóin sprang auf und ballte drohend die Fäuste. Seumas Og kauerte sich in eine Ecke des Raumes und verstummte.
Ciaran funkelte die beiden Streithähne böse an, sagte aber nichts. Eóin ließ sich wieder zu Boden sinken. Totenstille legte ich über die kleine Gruppe. Eóins Gesicht war vor Wut verfinstert Ciaran empfand nichts. Er wollte nichts mehr fühlen. Er wollte auch nicht mehr desertieren, weil er wusste, dass eine Flucht sinnlos war. Es war ihm vom Schicksal vorherbestimmt, bis zum Ende durchzuhalten und eventuell für die Sache zu sterben. Wieder reichte ihm jemand den Krug, und er trank von dem widerlichen Gebräu, bis er nichts mehr fühlte, noch nicht einmal die Schmerzen in seinen Knochen.
Benommen lag er auf seinem Bett, versuchte, an Leah zu denken und konnte es nicht. Sie hatte mit all dem hier nichts zu tun; sie gehörte zu den schönen Seiten seines Lebens aus der Zeit, wo er noch Hoffnung gehabt hatte. Ihre Schönheit, ihre Wärme, ihre Liebe zu ihm - all dies kam ihm jetzt irgendwie unwirklich vor. Die Realität bestand aus Kälte, Hunger, Läusen und dem Wissen um eine mehr als unsichere Zukunft.
Der Raum begann sich um ihn zu drehen. Zu viel Alkohol auf leeren Magen ... Leah ... Er musste ihr Bild wiederfinden. Sich an ihre Berührungen erinnern. War er im Begriff, sie zu verlieren?
Plötzlich fiel ihm die weiße Rose an seiner Kappe wieder ein. Er zog die Kappe aus seiner Manteltasche, löste die künstliche Blume von der blauen Wolle und stopfte die Kappe in die Tasche zurück. Die weiße Seide war jetzt grau verfärbt und verschmutzt, ein Blütenblatt hatte sich gelöst, sodass ein Stückchen Band lose herunterhing. Aber Leah hatte ihm diese Blume geschenkt. Seine Leah. Er betrachtete die Rose aus alkoholumflorten Augen, dann hielt er sie wie eine echte Blüte unter die Nase, versuchte aber nicht, Rosenduft zu erhaschen, sondern eine Spur von Leah. Und tatsächlich meinte er einen kurzen Augenblick lang, ihren persönlichen Duft wahrzunehmen.
Am nächsten Tag stieg sein Fieber, er war in Schweiß gebadet und litt zudem an einem fürchterlichen Kater. Die letzten Tage in Glasgow wurde er von einem schlimmen Husten gequält. Eine
Woche später, als er sich wieder weitgehend erholt hatte, marschierte die jakobitische Armee weiter in Richtung Norden.
In der zweiten Januarwoche setzte ein eiskalter Regen ein, der Ciaran bis auf die Haut durchnässte. Wasser tropfte von seiner Kappe und aus den Falten seines zerschlissenen Kilts. Seinen Schild hatte er schon vor einer Woche eingebüßt, ein Pferd war daraufgetreten und hatte ihn zersplittert. Fast ein Monat war verstrichen, seit sie die schottische Grenze überschritten hatten. Durch die versprochene Verstärkung war die Anzahl der Jakobiten auf fast achttausend Mann angewachsen, aber die Unterstützung seitens der einheimischen Bevölkerung ließ immer mehr nach. Die Vorräte schmolzen dahin, die Männer litten Hunger, und ihr Kampfgeist war ihnen vollkommen abhanden gekommen. Ciaran und seine Leute, jetzt mehr oder weniger Teil der At-holl-Brigade, waren auf dem Gipfel der Hügelkette bei Falkirk Muir aufmarschiert und blickten über die Reihen der feindlichen Rotröcke hinweg.
Ciaran fühlte sich innerlich wie ausgebrannt. Jegliches Gefühl war in ihm erstorben, geblieben war nur noch der feste Entschluss, den Kampf möglichst ehrenvoll hinter sich zu bringen. Er wurde allein von dem Gedanken beherrscht, Engländer zu töten. Seine Muskete war geladen, die Pistole ebenfalls. Er starrte zu den berittenen Dragonern hinüber, während er auf den Befehl zum Angriff wartete. Sein Herz erschien ihm ebenso kalt wie der Januarregen. Er sah diesem Kampf gelassen entgegen, denn er wusste, dass er heute nicht sterben würde. Sein Vater hatte es vorhergesagt.
Die
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