Lee, Julianne
geschrieben. Er dachte nur an die Morde, die die Männer in diesen roten Uniformen verübt und an das Grauen, das sie über sein Volk gebracht hatten. Nichts und niemand würde ihn daran hindern, den Sassunach zu töten.
Der Deserteur schien dies gleichfalls zu begreifen, denn seine Stimme begann zu zittern, und ein Ausdruck nackten Entsetzens malte sich auf seinem Gesicht ab, als Ciaran mit seinem Schwert lässig kleine Kreise in der Luft beschrieb und dabei um sein Opfer herumschlich wie eine sprungbereite Katze. »Bitte! Verschont
mich! Lasst mich gehen, und ich werde Euch nie wieder behelligen. Ich schwöre, dass ich Euch nicht an die Dragonereinheit in Cannich verrate!«
Ciarans Augen verdunkelten sich. Leah wusste, warum. Sie hatten Cannich durchquert, kurz ehe sie hierher gekommen waren. Die Rotröcke hielten sich also ganz in ihrer Nähe auf. Das waren sehr schlechte Neuigkeiten, besonders für den Deserteur, denn jetzt durfte Ciaran nicht mehr wagen, ihn laufen zu lassen, selbst wenn er dazu bereit gewesen wäre.
Was offensichtlich nicht der Fall war. Seine Klinge blitzte auf, als er erneut angriff, mit dem Dolch die Riposte des Deserteurs parierte und ihm dann mit dem Schwert die Kehle aufschlitzte. Der Mann kippte vornüber zu Boden, wo er sich gurgelnd und Blut spuckend wand, ehe er endlich reglos liegen blieb.
Ciaran starrte den Leichnam einen Moment an, dann rief er zu Leah hinüber: »Ist dir etwas geschehen?«
Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass er mit ihr sprach. »Nein«, erwiderte sie. »Mir ist nichts geschehen. Überhaupt nichts.«
Seine Erleichterung war ihm deutlich anzumerken, doch er sagte nur: »Dann zieh dich an.« Ohne viel Federlesens zerrte er den toten Soldaten am Kragen seines roten Rockes ins Dickicht und bedeckte ihn mit Farn und Schilf. Danach wandte er sich ab und watete durch den Bach. »Rasch. Wenn deine Wäsche noch feucht ist, kann ich es auch nicht ändern. Wir müssen hier verschwunden sein, wenn sie ihn finden. Jetzt gibt es nur eines - zurück nach Ciorram.«
»Er war ein Deserteur. Das hat er selbst gesagt.«
»Trotzdem werden sie nach ihm suchen, nur nicht so eifrig, als wenn er von einer Patrouille nicht zurückgekehrt wäre. Beeil dich, Leah. Wir müssen weg.«
Verdammt Ciaran hatte gehofft, den Engländern so lange aus dem Weg gehen zu können, bis er seinen rechten Arm wieder ge-
brauchen konnte. Er wollte im Vollbesitz seiner Kräfte nach Ciorram zurückkehren. Aber ihm blieb keine Zeit mehr. Cumberlands rote Teufel würden nach dem Deserteur suchen, und wenn sie ihn gefunden hatten, würden sie die ganze Gegend nach seinem Mörder durchkämmen. Auf dem Weg zum Versteck traf er auf Alasdair MacKenzie, der Feuerholz gesammelt hatte.
»Alasdair, ich habe schlechte Neuigkeiten.« Ciaran bedeutete Leah, sie solle in das Versteck gehen und ihre Habseligkeiten zusammenpacken, dann fuhr er an Alasdair gewandt fort: »Ganz in der Nähe ist eine Rotrockkompanie stationiert. Wir müssen schleunigst verschwinden.«
Alasdair war wie vor den Kopf geschlagen. Alle wussten, dass Caitlin die Reise nicht überleben würde. Mit dumpfer, hoffnungsloser Stimme fragte er: »Woher weißt du das?«
»Ich habe gerade einen Deserteur getötet. Sie werden nach ihm suchen, obwohl Gott allein weiß, warum eigentlich.«
»Du hast...« Alasdairs Augen weiteten sich erschrocken. »Warum? Warum in Dreiteufelsnamen musstest du einen Rotrock töten? Bist du denn vollkommen ...«
»Er wollte sich an meiner Frau vergreifen, Ailig.«
Alasdair nickte verständnisvoll, dann seufzte er. »Aye, ich sehe, ,es ging nicht anders. Wir müssen fort. Aber wohin?«
»Kommt mit uns. Wir können uns bis Ciorram durchschlagen, da bin ich mir sicher, und von dort ist es nicht mehr weit bis Killilan. Vielleicht sind noch ein paar MacKenzies dort.«
Alasdair nickte. Sein Gesicht wirkte grau und verhärmt »Ich hasse es, mein Land verlassen zu müssen, Ciaran.«
»Aye, das kann ich gut verstehen. Aber das Land gehört jetzt König Georg, und er wünscht nicht, dass wir hier leben. Wir können uns nicht gegen die Rotröcke behaupten, also müssen wir uns zurückziehen und warten, bis der Tag kommt, an dem wir es ihnen heimzahlen können.«
Wieder nickte sein Vetter, dann ging er in das Versteck, um die anderen über die veränderte Situation aufzuklären.
Alasdair und Ciaran fertigten eine Bahre für Caitlin an, aber der Marsch zehrte an ihren ohnehin schwachen Kräften, und sie starb am
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