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Lee, Julianne

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Titel: Lee, Julianne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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Beweglichkeit wieder herstellen. Das kam ihm zugute, wenn er die Umgebung durch-
    streifte, um zu jagen oder verirrte Rinder und Schafe einzufangen.
    Leah verbrachte ihre Tage damit, Elizabeth zur Hand zu gehen und lernte es, Mahlzeiten nur mit den allernotwendigsten Utensilien zu bereiten. Elizabeth, eine ruhige, aber freundliche und fleißige junge Frau, kümmerte sich außerdem um das Baby. Als Caitlins Zustand sich verschlechterte, adoptierte sie den Kleinen sozusagen und benahm sich von da an, als sei er ihr eigenes Kind. Ciaran erklärte Leah, dass Elizabeth ihren Vater bei dem Massaker verloren hatte, aber immer noch darauf hoffte, ein Wunder werde geschehen und ihr Mann unversehrt zu ihr zurückkehren. Dass sie das Baby an Kindes statt angenommen hatte, schien diese Hoffnung noch zu verstärken, und so erhob niemand Einwände.
    Während Leah eines Tages einen Hasen über einem niedrigen Feuer röstete, sah sie immer wieder zu dem kleinen Jungen hinüber, der nach seinem Vater Donnchadh getauft worden war. Der Anblick Elizabeths mit dem Baby im Arm erfüllte sie mit einer überwältigenden Vorfreude auf ihr eigenes Kind, für dessen Sicherheit sie täglich betete. Die Sorge, die sie ständig in Elizabeths Augen las, machte ihr klar, wie ungeheuer groß die Verantwortung für ein so schwaches Leben war; eine Verantwortung, die sie bereits selber zu spüren begann.
    Zwar versuchte sie krampfhaft, nicht an die Kinder zu denken, die die Rotröcke auf so grausame Weise getötet hatten, aber die Bilder suchten sie immer wieder heim. Wenn sie allein war, begann sie oft am ganzen Körper zu zittern. Dann erschien ihr die ganze Welt irgendwie unwirklich; so, als könne nichts je wieder so werden, wie es einmal gewesen war, weil sie von Anfang an in einer Traumwelt gelebt hatte. Sogar der Glorienschein, mit dem sie ihren Vater immer umgeben hatte, war verblasst und wirkte nur noch verlogen und falsch.
    Endlich gewann der Kummer eines Tages die Oberhand. Als sie mit einem Eimer Wasser vom Bach zurückkam, schlug eine Welle der Verzweiflung ob all des Grauens, das sie hatte mit an-
    sehen müssen, über ihr zusammen. Sie sank auf dem Pfad auf die Knie, schlang die Arme um den Oberkörper und weinte um ihren verlorenen Kinderglauben, den nichts und niemand ihr je zurückgeben konnte. Sie weinte haltlos, während sich eine dunkle Wolke auf ihre Seele legte, bis sie fürchtete, nie wieder Licht zu sehen.
    So fand sie Ciaran, der kurz darauf aus dem Unterholz gestürmt kam. In einer Hand hielt er ein empört gackerndes Huhn. Leah trocknete sich hastig die Augen, doch er hatte sie schon gesehen und starrte sie einen Moment lang an, während das Huhn wild mit den Flügeln schlug.
    Dann murmelte er leise: »Du hast gesagt, sie braucht mich.« Ein kurzer Blick ins Leere verriet Leah, dass die Fee bei ihm war. Er ließ das Huhn los und kauerte sich vor ihr nieder. Der Vogel flatterte ein Stück über den Pfad und begann dann, am Boden zu scharren und zu picken. Ciaran legte den Kopf schief, um Leah in die Augen sehen zu können, doch sie wandte sich ab.
    Endlich fragte er sanft: »Möchtest du zu deinem Vater zurückkehren?«
    Sie schluchzte unterdrückt auf, ehe sie entschieden den Kopf schüttelte. »Nein. Ich könnte es nicht ertragen, ihm je wieder ins Gesicht sehen zu müssen.«
    Mit dieser Antwort hatte Ciaran offenbar nicht gerechnet. Er beugte sich vor und strich ihr sacht über das Haar. »Ich glaube, ich weiß, was dir solchen Kummer bereitet. Ich könnte mir nicht vorstellen, meinem eigenen Vater je derartige Gefühle entgegengebracht zu haben. Es muss sehr schwer für dich sein.« In seinen Augen las sie tiefes Verständnis für ihre seelische Qual.
    »All diese unschuldigen Menschen«, stammelte sie. »Die Männer, die überall an den Bäumen hängen. Alle ermordet. Sie haben noch nicht einmal die Kinder verschont. Wie konnte so etwas nur
    geschehen?«
    Ciaran zuckte die Schultern, als läge die Antwort auf der Hand. »Die Engländer betrachten uns ja nicht als Menschen.« Eine Wei-
    le herrschte Schweigen, dann fuhr er sanfter fort: »Leah, m'ann-sachd, du hast uns doch auch nie für Menschen gehalten. Nicht, bis du uns näher kennen gelernt hast.«
    Langsam schüttelte sie den Kopf. Ihre Augen wurden groß. Sein Vorwurf hatte sie tief getroffen.
    »Aye«, beharrte er. »Denk einmal darüber nach.«
    Leah rief sich ihre ersten Tage in der Burg ins Gedächtnis zurück. War sie nicht von dem >wilden Highlander<

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