Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
Vom Netzwerk:
Mal eine stille Freude, wenn er Leah irgendwo in der Burg begegnete. Betrat er einen Raum und sah sie, musste er sich zwingen, sie nicht allzu unverhohlen anzustarren. Obwohl er sie nach wie vor für eitel hielt und fand, dass sie sich übermäßig mit ihrer Frisur und ihrer Kleidung beschäftigte, sah er sie inzwischen nicht mehr als die dumme Gans an, für die er sie anfangs gehalten hatte. Sie war zwar eine Engländerin, aber dennoch weder töricht noch bösartig, und das faszinierte ihn über alle Maßen.
    Eines Tages fing er Sìle auf dem Weg ins Dorf auf dem Burghof ab, wo nur wenige Leute sie hören konnten, und fragte sie, ob sie, Kirstie und Mary nicht ein bisschen freundlicher zu Leah sein könnten.
    Sìle gab ein verächtliches Grunzen von sich und verlagerte den leeren Korb, den sie bei sich trug, auf die andere Hüfte. »Man sollte dieses Sassunach-Geschöpf aus der Burg jagen. Sie hat keine Manieren und ist zu nichts zu gebrauchen.«
    Ciaran ging neben ihr her. »Aye. Sie ist fremd hier und kennt unsere Sitten und Gebräuche nicht. Vielleicht wäre es eine gute Idee, wenn du ihr einiges beibringen würdest.« Er blickte sich verstohlen um, weil er sichergehen wollte, dass er nicht belauscht wurde. Wenn es sich herumsprach, dass er sich für die Engländerin interessierte, würde er Schwierigkeiten bekommen.
    Sìle runzelte ob der absurden Idee, einer Engländerin etwas Nützliches beibringen zu wollen, abfällig die Stirn. »Was denn zum Beispiel?«
    Ciaran hob die Schultern. »Ich denke, sie wird zumindest wissen, wie man mit Nadel und Faden umgeht. Auch in England müssen die Frauen ihre Zeit irgendwie sinnvoll nutzen. Du könntest sie zu eurem Handarbeitskreis einladen.«
    Jetzt zuckte Sìle die Schultern und setzte wortlos ihren Weg zum Burgtor fort. Ciaran blieb hartnäckig an ihrer Seite. Endlich antwortete sie ihm: »Und was, wenn sie mein Angebot ablehnt? Du weißt, dass sie uns hasst. Wahrscheinlich reagiert sie genauso beleidigt als wenn ich sie auffordern würde, ein Schwein zu küssen.«
    Ciaran überlegte kurz, dachte daran, dass Leah einmal gesagt hatte, wie einsam sie sich fühlte, und meinte dann: »Das wird sie nicht tun. Versuch es doch einfach. Wenn sie dich zurückweist, sprichst du sie nicht mehr an. So einfach ist das.«
    Lange Zeit herrschte Schweigen, während Sìle mit sich rang. »Aye«, erwiderte sie schließlich. »Ich kann es ja auf einen Versuch ankommen lassen.«
    »Braves Mädchen.« Ciaran klopfte seiner Schwester auf die Schulter und machte Anstalten, zur Burg zurückzukehren, blieb aber stehen, als Sìle sich umdrehte und noch etwas hinzufügte:
    »Ciaran, was hat diese plötzliche Sorge um das Wohlergehen unseres ungebetenen Gastes eigentlich zu bedeuten?«
    Der belustigte Funke in ihren Augen bewog ihn, verächtlich den Mund zu verziehen. »Nichts, Schwester, außer dass ich mich mit ihrem Vater gut stellen will, um zu verhindern, dass seine Männer uns bei der nächstbesten Gelegenheit umbringen.«
    Das schien ihr als Begründung auszureichen, denn sie nickte. Aber Ciaran musste sich selbst eingestehen, dass es ihm ausschließlich um Leah selbst zu tun war. Dieser Hurensohn von Vater bedeutete ihm nichts.
    Leah war mehr als überrascht, als Ciarans ältere Schwester sie an einem Julimorgen auf Englisch ansprach. Sie hatte gar nicht gewusst, dass das Mädchen die Sprache beherrschte, denn sonst wurde sie nur von den Dienstboten angeredet - auf Gälisch, das von hilflosen und verwirrenden Gesten begleitet wurde. Abgesehen von ihren kurzen Gesprächen mit dem Laird bestand für sie jede Unterhaltung aus langwieriger, ermüdender Pantomime.
    Und nun plötzlich setzte sich Ciarans schwarzgelockte Schwester beim Frühstück neben sie, stellte sich als >Sìle< vor und sprach so ungezwungen mit ihr, als wären sie die besten Freundinnen. Leah empfand Unbehagen und Erleichterung zugleich. Sie schämte sich ein wenig, dass sie für die Gesellschaft einer rauen Highlandschottin so dankbar war, aber sie konnte auch nicht leugnen, dass sie sich einsam fühlte und sich über jedes freundliche Wort freute.
    »Kommt doch heute mit uns hinaus zu den Weiden«, schlug Sìle vor. »Meine Schwestern und ich nehmen unsere Näharbeiten gerne mit hinunter ans Wasser, wenn das Wetter es zulässt, und heute scheint es warm und sonnig zu werden.«
    Leah zögerte. Ihr erster Impuls bestand darin, sich zu fragen, was Sìle mit ihrer Einladung bezweckte, doch dann schalt sie sich eine Närrin.

Weitere Kostenlose Bücher