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Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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Es wäre schön, mit ein paar Geschlechtsgenossinnen draußen an der frischen Luft zu sitzen, zu nähen und dabei ein wenig zu plaudern. Also lächelte sie. »Das würde ich sehr gern tun.«
    So etwas wie Überraschung malte sich auf Sìles Gesicht ab, verschwand aber sofort wieder und machte gleichfalls einem Lächeln Platz. »Wunderbar.«
    Leah überlegte, was für eine Antwort Sìle wohl erwartet und warum sie überhaupt gefragt hatte.
    Das Wetter war, wie Sìle gesagt hatte, sehr angenehm. Die schmalen Blätter der Weiden am Rand der Insel raschelten leise im Wind. Sìle, Kirstie und Mary saßen mit Leah an der verfallenen äußeren Burgmauer direkt am sanft ans Ufer plätschernden Wasser des Loch Sgàthan. Die steifen Fischbeinstäbchen ihres Mieders machten es Leah unmöglich, auf dem Boden zu sitzen, also ließ sie sich auf einem großen, aus der Mauer herausgebrochenen Stein nieder. In tiefen Zügen sog sie die frische Luft ein. Diesmal störte sie sich auch nicht an der rauen Landschaft. Die wärmenden Sonnenstrahlen taten ihr wohl, und sie genoss die Gesellschaft der drei Frauen.
    Sìle bestickte ein ungebleichtes Leinenhemd mit gebleichtem weißem Garn. Das Muster erschien Leah äußerst kunstvoll, und sie bat darum, es aus der Nähe sehen zu dürfen. Um die Manschetten herum verlief eine Reihe gestickter Hunde, deren künstlich verlängerte Hälse und Läufe ineinander verwoben waren, dazwischen rankten sich gleichfalls ineinander verschlungene Blätter und Zweige. Alles in Weiß auf etwas dunklerem Weiß. So seltsam ihr das Muster auch erschien, sie musste zugeben, dass die Stiche mit äußerster Präzision ausgeführt waren. Im Vergleich dazu nahm sich ihre eigene Arbeit geradezu stümperhaft aus.
    »Für Aodán«, erklärte Sìle. »Hunde bringen ihm Glück, also sticke ich immer welche auf seine Hemden.«
    Leah lächelte. »Würde ihm sogar der weiße Hund Glück bringen?«
    Die Zwillinge kicherten, und Sìle zuckte theatralisch zusammen. »Och, das möchten wir lieber nicht herausfinden. Niemand legt Wert darauf, den weißen Hund zu Gesicht zu bekommen, noch nicht einmal Aodán.«
    »Habt ihr ihn denn schon ...«
    Alle drei Mädchen schüttelten einmütig den Kopf. »Seit Jahrzehnten hat ihn keiner mehr gesehen«, erwiderte Sìle. »So weit ich weiß, war mein Vater der Letzte, und das war kurz bevor diese Mörderischen Rot...«, sie warf Leah einen verstohlenen Blick zu und errötete. »Kurz ehe er versehentlich verhaftet wurde«, beendete sie den Satz hastig.
    Auch Leah stieg die Röte in die Wangen. Sie war überzeugt, dass jeder, der von Angehörigen der Armee verhaftet wurde, sich auch etwas zu Schulden hatte kommen lassen, aber sie
    behielt ihre Meinung für sich. »Also hat ihm der Geist des Hundes Unglück gebracht«, stellte sie fest.
    Die drei Schwestern nickten.
    Um das Gespräch von >Mörderischen Rotröcken< abzulenken fragte Leah: »Habt ihr denn schon einmal einen selkie gesehen?«
    Kirstie kicherte, und Mary antwortete: »Unser Vater war einer.«
    Leah sah sie ungläubig an. »Tatsächlich?« Jetzt war sie sicher, dass sich die Mädchen über sie lustig machten und überlegte, ob sie gute Miene zum bösen Spiel machen oder aufstehen und gehen sollte.
    Aber die drei wirkten vollkommen ernst. »Aye«, sagte Kirstie, die offenbar darauf brannte, die Geschichte zu erzählen. »Sein Vater wurde als junger Mann vom Volk der Seehunde verschleppt, müsst Ihr wissen, und kehrte nie wieder zurück. Es hieß, er habe eine der Ihren geheiratet. Und als Pa zu seinen Leuten zurückkam, dunkelhaarig und ganz vernarrt in das Wasser, da sagten alle, seine Mutter müsse aus dem Volk der Seehunde stammen.«
    Sìle lächelte ein wenig, sagte aber nichts.
    Leah zog die Brauen zusammen. »Aber ich dachte, euer Vater wäre in Amerika geboren.«
    Kirstie sah sie aus großen Augen an und rutschte aufgeregt hin und her, während sie meinte: »Och, aber das erklärt doch nicht, warum er so gut schwimmen konnte und so oft gebadet hat.«
    »Oft?« Leah nahm ihr das nicht ganz ab. Sie hatte zu viele schmutzige, verwahrloste Menschen in diesem Tal gesehen.
    »Aye. Er wusch sich jeden Abend, ehe er zu Bett ging. Sogar wenn er früher am Tag gebadet hatte, schrubbte er sich abends vor der Waschschüssel noch ein Mal gründlich ab. Im Sommer stellte er sich im oberen Tal oft unter den Wasserfall oder nahm sich Seife zum Bach mit, um sich dort zu waschen. So oft wie möglich. Und uns hat er ebenfalls zur Sauberkeit

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