Lee, Julianne
Clansleuten aufbrechen werde. Sie würden das Tal nach und nach verlassen, sozusagen direkt vor den
Nasen der Rotröcke dahinschmelzen wie Schnee in der Sonne.
Ciaran pfiff vor sich hin, als er den Burghof überquerte, um in der großen Halle zu Abend zu essen. Er hatte Leah seit dem Morgen nicht mehr gesehen und freute sich darauf, sich im selben Raum mit ihr aufzuhalten, auch wenn er sie nur aus der Entfernung anschauen konnte.
Essensdüfte schlugen ihm entgegen, als er den Raum betrat Alle Anwesenden erhoben sich, als er seinen Platz am Kopfende des Tisches in der Nähe des Kamins einnahm. Die meisten Burgbewohner waren schon da: Robin, Ciarans Schwestern und Nichten sowie sein Bruder Robbie. Nur der Captain und seine Tochter fehlten. Auch Eóin, Gregor, Dùghlas und Seumas Glas nahmen an diesem Abend am Essen teil. Sowie der Laird sich auf seinem Stuhl niedergelassen hatte, setzten sich auch alle anderen wieder hin. Platten mit Fleisch, große Schüsseln mit gekochtem Kohl und Bannocks wurden aufgetragen. Die Mathesons begannen zu essen. Ciaran starrte immer wieder zur Tür des Nordturms hinüber und fragte sich, wo Leah blieb.
Die Wachposten standen am Eingang der Halle, was bedeutete, dass der Captain sich in der Burg aufhielt. Also musste Leah auch irgendwo stecken. Ciaran versuchte die Tür zum Gang mit bloßer Willenskraft dazu zu bringen, sich zu öffnen, aber nichts geschah.
»Sie hat dich im Stich gelassen, mein Freund.«
Ciaran warf der Fee einen finsteren Blick zu, dann begann er ein Gespräch mit Eóin zu seiner Rechten, das sich darum drehte, wieviel Vieh im Herbst verkauft werden sollte. Obwohl er die Anzahl der Tiere und den Preis, den sie erzielen würden, wenn das Wetter sich hielt und das Gras weiterhin so üppig wuchs, genau berechnete, überlegte er nebenbei, wie er es arrangieren konnte, etwas Zeit mit Leah zu verbringen. Vielleicht konnten sie sich treffen, wenn Ida auf einem Botengang unterwegs war? Die Kammer über der von Leah stand leer. Vielleicht ergab sich die eine oder andere Gelegenheit...
Die Tür zur Halle ging auf, als Ciaran gerade ein Stück von seinem Bannock abbrach, und der rotberockte Captain kam herein,
gefolgt von seiner Tochter. Ciarans Herz machte einen Satz, und ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er zu ihr hinüber-
sah.
Aber sie schaute nicht zu ihm hin. Sie wirkte niedergeschlagen, wie sie, den Blick starr auf den Boden gerichtet, neben ihrem Vater ging. Irgendetwas stimmte hier nicht. Die beiden kamen auf das Kopfende des Tisches zu. Ciaran lehnte sich in seinem Stuhl zurück, brach erneut ein Stück Bannock ab, schob es in den Mund und kaute langsam, obwohl er fand, dass es nach nichts
schmeckte.
»Ciorram«, begann der Captain, »Ihr werdet Euch freuen zu hören, dass Eure unwillkommenen Gäste Euch bald verlassen werden. Meine Kompanie wird anderswo gebraucht.«
Das erklärte Leahs Verhalten, und Ciaran begriff, dass sie ihn verlassen würde. Es kostete ihn all seine Willenskraft, keine Miene zu verziehen und weiter an seinem Bannock zu kauen. Hadley fuhr fort: »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Highlands nicht der richtige Ort für eine leicht zu beeinflussende junge Dame wie meine Tochter sind. Da es hier so häufig zu Unruhen kommt, halte ich es für sicherer, sie nach Edinburgh zu schicken, wo meine Verwandten sie beaufsichtigen werden.«
Ciaran blickte Leah an, doch ihr Gesicht verriet nichts, und sie wich seinem Blick sofort aus und starrte zum Kamin hinter ihm hinüber. Er schluckte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Hadley zu. Mit betont gleichmütiger Stimme erwiderte er: »Captain, ich habe den Eindruck, dass Ihr von meiner Fähigkeit, Eure Tochter zu beschützen, recht wenig haltet.« Leah schloss die Augen.
Hadley entgegnete: »Im Gegenteil, Ciorram, von Euren Fähigkeiten halte ich sehr viel, nur an Eurer Bereitschaft dazu hege ich gewisse Zweifel .« Ciaran machte Anstalten zu protestieren, aber Hadley hob eine Hand und ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Aber das tut auch nichts zur Sache, denn meine Kompanie ist abberufen worden. Wir werden morgen früh im Morgengrauen
aufbrechen. Ich kann nur hoffen, dass Ihr Euch nicht gleich auf das Vieh Eurer Nachbarn stürzt, sowie wir außer Sicht sind.«
Heiße Wut stieg in Ciaran auf. Fast hätte er Brigid gezückt und wäre aufgesprungen, um dem hochnäsigen Laffen eine Lektion zu erteilen, aber er bezwang sich, blieb sitzen und sagte so obenhin wie möglich: »Dann
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