Lee, Sharon & Miller, Steve - Liaden 2 - Der Agent und die Söldnerin
einen blanken Bildschirm?
Ein Anruf bei den Nachbarn, ohne sich zu zeigen, käme nicht infrage, beschloss sie. Aber wer sagte denn, dass sie ihr eigenes Gesicht präsentieren musste?
Eine Zeit lang starrte sie versonnen die Kom-Konsole an. Das Beste vom Besten, entschied sie nach ein paar Minuten. Eine aufwändigere Anlage hatte selbst Sire Baldwin nicht in seinem palastartigen Domizil gehabt. Sie lehnte sich zurück und betrachtete die Einrichtung des Wohnraums, die von dezentem Luxus zeugte. Wieder einmal wurde sie daran erinnert, dass Geld und guter Geschmack nicht immer Hand in Hand gingen. Sie brauchte nur an die Mätressen zu denken, die ihr früherer Boss mit nach Hause gebracht hatte.
Plötzlich lächelte sie verschmitzt, sprang auf die Füße und flitzte in ihr Schlafzimmer. Sie stellte sich vor den vom Boden bis zur Decke reichenden Spiegel in der Garderobe, löste den Zopf und kämmte sich energisch das Haar. Wenig später versorgte der stumme Diener sie mit einer großen Auswahl an Nadeln und Netzen, die mit glitzernden Steinen besetzt waren, damit sie die kupferrote Mähne zu Dutts, Schnecken und Büscheln bändigen konnte. Außerdem erhielt sie Schminksachen, goldene Ohrgehänge, acht unterschiedlich große und aus verschiedenen Metallen bestehende Fingerringe und eine Halskette aus glasierten silbernen Blüten.
Nach einigem Nachdenken entschied sie, der Overall sei genau das richtige Kleidungsstück für diese Gelegenheit, aber sie öffnete den Halsausschnitt ein wenig weiter – prüfte das Ergebnis im Spiegel und zog den Stoff noch ein bisschen tiefer. Sie grinste ihr Abbild an, trug eine Spur mehr Augen-Make-up auf, dann ging sie an das Kom-Gerät zurück.
Sie wählte eine Firma aus, deren einziges Büro sich im renommiertesten und teuersten Gebäude befand, in dem man Räume mieten konnte. Mit einem – wie sie hoffte – halb einfältigen, halb nervösen Ausdruck im Gesicht tippte sie den Kode ein.
»Mylander und Zanthal Inkasso-Büro«, meldete sich die Empfangssekretärin.
Miri verzog den Mund zu einem schmallippigen Lächeln. »Guten Tag«, begann sie in ihrem breitesten Yark-Akzent. »Ich möchte mit wem sprechen, der mir mal unter die Arme greifen kann. Es geht da um einen – einen Kerl, wissen Sie. Der Typ schuldet mir Kohle und will nichts rausrücken.«
Die Dame an der Anmeldung blinzelte, dann fasste sie sich wieder. »Ja, ich verstehe. Ich bin sicher, dass unser Mr. Farant Sie gern …«
»Nee, lieber nicht«, protestierte Miri. »Hören Sie, Schätzchen, das ist eine ziemlich … delikate Angelegenheit, wissen Sie. Können Sie mich nicht mit einer Frau verbinden, die mir weiterhilft?« Wieder setzte sie dieses gekünstelte Lächeln auf. »Mit der ich ganz offen reden kann – so von Frau zu Frau, Sie wissen ja, was ich meine.«
Die Rezeptionistin schluckte. »Nun ja, da käme Ms. Mylander infrage.«
»Ach nee«, nörgelte Miri. »Es muss ja nicht gleich die Chefin sein.«
»Das ist sie auch nicht«, stellte die Empfangsdame richtig und musste sich offenbar ein Schmunzeln verbeißen. »Ms. Susan Mylander ist Ms. Lavinia Mylanders Enkeltochter.«
»Ach so! Na, das ist ja toll! Also, mit dieser Susan würde ich gern mal ein Wort so ganz im Vertrauen sprechen. Sagen Sie ihr einfach, Amabel Gleason ist auf dem Bildschirm, okay, Schätzchen?«
»Selbstverständlich, Ms. Gleason«, erwiderte die Rezeptionistin in sachlichem Ton, sich auf ihre Professionalität besinnend. »Wenn Sie bitte einen Moment warten würden …« Auf dem Schirm erschien ein abstraktes Gemälde in weichen Pastelltönen. Miri lehnte sich in einer Haltung gespannter Aufmerksamkeit zurück.
Nach einer gewissen Zeit, die der Rezeptionistin ausgereicht hatte, um Ms. Mylander zu kontaktieren und ihr zu berichten -vermutlich mit Ausschmückungen –, mit welcher Art von Anruferin sie es zu tun hatte, änderte sich das Bild auf dem Schirm. Miri lächelte geziert eine dunkelhäutige junge Frau an, die geschäftsmäßig gekleidet war.
»Ms. Gleason?«, fragte die junge Frau. Sie sprach mit dem näselnden Tonfall, den die soziale Elite kultivierte.
Miri zog den Kopf ein. »Ms. Mylander, es ist richtig lieb von Ihnen, dass Sie mit mir sprechen und so. Ich hatte nur keinen blassen Dunst, an wen ich mich wenden sollte, wissen Sie, und als die hübsche junge Dame an der Anmeldung sagte, Sie seien im Haus …« Sie fuchtelte mit den Händen, sodass die Ringe blitzten. »Manche Sachen kann man einfach nur mit einer
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