Leerer Kuehlschrank volle Windeln
sprechen roboterartiges Paragrafendeutsch. Auch der Rest der Anmeldung klingt wie die Vorlage für eine Comedy-Show. Es ist nämlich nicht möglich, eine persönliche Note in die Trauzeremonie zu bringen, da noch nicht klar ist, welche Kollegin am Tag der Hochzeit Dienst hat. Es gibt eine allgemeine Standard-Rede oder nichts. Wir entscheiden uns für die zweite Option und sagen, dass es ja auf unserer festlichen Zeremonie zwei Stunden später noch schön wird, wenn das Amt »schön« nicht anbietet und wir uns auf »Reinkommen, Hinsetzen, Begrüßung, Aufstehen, Ja-Sagen, Unterschreiben, Rausgehen« beschränken müssen.
Aber wir haben noch die Wahl, welche Musik im Standesamt gespielt wird. Man bietet uns an, dass wir eine CD mit unserer Lieblingsmusik mitbringen können, die die noch unbekannte Standesbeamtin dann per Fernbedienung im amtseigenen CD -Player aus dem Jahr 1990 startet. Oder: Wir nehmen den Alleinunterhalter, der auf seinem Plastik-Keyboard ein paar Takte spielt. Zwei Lieder kosten vierzig Euro – und die Songs dürfen erst am Hochzeitstag selbst ausgewählt werden. Auch hier entscheiden wir uns für die dritte Option: Nichts! Denn wer weiß, was der Keyboarder auf dem Kasten hat. Auf jeden Fall haben wir die letzte Hürde genommen auf dem Weg zur perfekten Hochzeit. Glauben wir.
Hinter der letzten Hürde lauert ein tiefer Graben – und in den stürzen wir hinein, als uns der Anruf des Pleitehotels erreicht. Sieben Tage vor unserem großen Tag will man dort die Pforten dichtmachen. Das erfahren wir sieben Wochen vorher. Unsere Hochzeitsplanung über sechzehn Monate ist fast komplett für die Katz. Aus der Not heraus rufe ich drei, vier Hotels an – aber erstens sind die Entscheider nicht mehr im Haus (schließlich ist es Samstagabend nach 20 Uhr) und zweitens sind alle Sommerwochenend-Termine ausgebucht. Heute jedenfalls lässt sich nichts mehr retten. Mit Bauchschmerzen überstehen wir die Nacht.
Mit einer Nacht Abstand ist uns auf jeden Fall klar, dass die Hochzeit stattfinden MUSS .
Der Tagesverlauf ist äußerst deprimierend. Christin recherchiert im Internet, wählt sich die Finger wund und telefoniert sich die Ohren heiß, während ich durch die Stadt und den Speckgürtel Leipzigs fahre, um eine adäquate Ausweichmöglichkeit zu finden. Das Ergebnis bei uns beiden ist gleich: Absagen, Absagen, Absagen. Die häufigste Aussage: »Für welches Jahr? Für dieses? Ha ha ha, da müssen Sie aber früher kommen, es ist alles ausgebucht!«
Wenn es nicht so traurig wäre, würde ich gern mitlachen. Resigniert laufe ich am Abend durch die Innenstadt und stehe auf einmal vor dem neuesten, größten, besten und auch teuersten Hotel der Messestadt. Erst vor einem Monat hat es eröffnet, und schon der Eingang des Luxustempels ist beeindruckend. Ich überlege kurz und gehe entschlossen hinein. Es ist zwar absurd, bei einer solchen Nobeladresse nachzufragen – und zweifellos wird eine Feier hier unser Budget sprengen –, aber ich könnte immerhin sagen, dass ich es wenigstens versucht habe. Ich lasse mich zum Verkaufsdirektor bringen. Auf einem weichen Ledersofa sitzend erzähle ich ihm von der aussichtslosen Situation, in die wir geraten sind. Er hört aufmerksam zu und sagt dann: »Da sind Sie tatsächlich in einer verzwickten Lage. Wir haben hier noch keine Hochzeitsfeier durchgeführt, weil wir erst vor ein paar Wochen eröffnet haben. Aber wenn es Ihnen hilft, kann ich Ihnen anbieten, dass wir die Feier nach Ihren Wünschen und zu denselben Konditionen wie der ursprüngliche Veranstalter ausführen. Es wäre auch für uns eine Premiere.«
Am liebsten würde ich diesen Mann umarmen! Er zeigt mir die Räumlichkeiten des Hotels und von Quadratmeter zu Quadratmeter bin ich begeisterter. Alles ist nagelneu, hochmodern und wahnsinnig schick. Der Saal für die Party ist viermal so groß wie der ursprünglich gebuchte, vollklimatisiert und mit allerlei technischem Schnickschnack ausgestattet, so dass auch Videos auf Großbildleinwänden gezeigt werden können. Die Buffetauswahl übertrifft meine Erwartungen um Kilometer. Und die Hochzeitssuite ist ein wahrgewordener Traum.
Wir einigen uns per Handschlag, und ich fahre überglücklich zu Christin, um ihr von dem Sensations-Coup zu erzählen. Wir liegen uns in den Armen. Unsere Hochzeit ist gerettet. Fast! Denn für die feierliche Trauung muss noch ein Ersatz gefunden werden. Das Hotel im Stadtzentrum hat ja keinen Park.
Wieder wildern wir im Internet
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