Leerer Kuehlschrank volle Windeln
Geräusch, so ergreifend, so lebendig. Mir fällt es schwer, eine Träne zu unterdrücken. Manchmal habe ich so nah am Wasser gebaut, dass ich sofort hineinplatsche.
Als ich sehe, dass auch Christin so ergriffen ist, drücken wir unsere Hände ganz fest zusammen. Lange hält die Romantik jedoch nicht an, denn im Wartezimmer sitzen noch vier weitere Paare, die endlich wissen wollen, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen fabriziert haben.
Deshalb hetzt Frau Dr. Brösendösel durch einen Anatomie-Marathon und sprudelt ohne Luft zu holen ihren Vortrag zur Liveübertragung herunter: »Hier sehen Sie also das Köpfchen, alles in Ordnung, hier die Nasenwurzel, picobello, der Schädel ist super, jetzt hier die Wirbelsäule, sehr schön, alles fein, keine Veränderungen, hier der linke Arm, die Hand, ein, zwei, drei, vier, fünf Finger, prima, der rechte Arm, die rechte Hand, eins, zwei, drei, vier, fünf Finger, top, das Becken, absolut gesund, alles bestens, das linke Bein, Oberschenkel, Unterschenkel, linker Fuß, eins, zwei, drei, vier, fünf Zehen, fantastisch, rechtes Bein, rechter Oberschenkel, rechter Fuß, eins, zwei, drei, vier, fünf Zehen, in Ordnung, hier haben wir die Schamlippen, kann man schon super sehen, Sie können also hundertprozentig …«
»Moment kurz«, falle ich ihr ins Wort, »sagten Sie da gerade Schamlippen?«
»Ja, das habe ich gesagt.«
»Heißt das etwa … Bedeutet das, wir kriegen ein MÄDCHEN? «
»Soweit meine Kenntnisse in diesem Fachbereich korrekt sind, deutet dieses Merkmal darauf hin.«
»YES«, strahle ich Christin an, »wir kriegen ein Mädchen. Wir kriegen ein MÄDCHEN!«, rufe ich freudestrahlend und spüre gleich wieder ein Tröpfchen im Auge. Meine Liebste freut sich ebenfalls mit einem Wasserfall im Gesicht, und wir knuddeln, drücken und küssen uns. Und Achtung, ihr männlichen Säuglinge da draußen, nehmt euch in Acht und bestellt am besten gleich mit der Geburtsurkunde euer polizeiliches Führungszeugnis! Mit mir ist nicht zu spaßen, wenn ihr in sechzehn Jahren mit meiner Tochter ausgehen wollt!
Den Rest der Untersuchung bekomme ich kaum noch mit. Das Wichtigste wissen wir nun: Der kleinen Lady geht es blendend, und wir freuen uns wie Bolle.
Nur über die Art der Verkündung bin ich etwas enttäuscht. Ich hatte einen Trommelwirbel erwartet und wenigstens eine fernsehreife Ankündigung wie bei einer Samstagabendshow: »So, meine lieben, zukünftigen Eltern! Nun kommen wir zum Höhepunkt des Tages, zur wichtigsten Information überhaupt. Ich verrate Ihnen hier und jetzt, ob Sie einen Jungen oder ein Mädchen mit dem Kinderwagen durch die Gegend kutschieren dürfen. ACHTUNG, Achtung, bitte zuhören: Sie … bekommen … ein … na … na … na … Die Spannung steigt, ich selbst kann es kaum erwarten. Ich sage es Ihnen gleich … nach der Werbepause!«
Stattdessen findet beiläufig Erwähnung, dass unser Kind ein weibliches Geschlechtsmerkmal hat! So ganz nebenbei, so wie man im Supermarkt noch eine Packung Kaugummi auf das Warenband legt.
Wesentlich intensiver ist unser Erlebnis beim Geburtsvorbereitungskurs ein paar Monate später. Meine Frau war schon insgesamt fünfmal allein dort. Für den letzten Kurstag sind die Papis dazubestellt. Es gibt gleich eine Doppelstunde von unserer Hebamme. Christin, die inzwischen ganze siebzehn Kilo zugenommen hat und aussieht, als hätte sie einen Basketball verschluckt und ich (fünf Kilo mehr durch die Co-Schwangerschaft) betreten den Raum, in dem wir zunächst die Schuhe ausziehen müssen. Wir sind die Letzten in der Runde. Als wir hereinkommen, sitzen schon fünf Paare in Kuschelposition im Halbkreis auf dem Boden. Hinter jedem designierten Elternpaar liegt ein riesiger Gymnastikball, so wie ihn meine Frau bei unserem Kennenlernen benutzt hat. Vor den Pärchen liegen Stillkissen. Wer damit nichts anfangen kann: Es hat ein wenig die Optik einer überdimensionalen Banane, die mit tausenden Schaumstoffkügelchen gefüllt ist.
Wir setzen uns dazu und schon beginnt Frau Rosenbreit-Wiesenbusch mit dem Kurs. Zu Beginn sollen wir uns erst mal schön entspannen. Wir sollen uns möglichst bequem hinsetzen, die Augen schließen, tief ein- und ausatmen, uns eine Meeresküste vorstellen …
Da kann ich doch gleich zu Dr. Seltsam-Hokuspokus gehen. Unruhig zapple ich auf meinem Po rutschend hin und her. Während die anderen Kursteilnehmer wie aufgefordert den imaginären Strand entlanglaufen und ihre Seele im wunderbar blauen
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