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Leg dein Herz in meine Haende

Titel: Leg dein Herz in meine Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Garwood
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hinwegzusteigen, die unter einer alten Plane hervorsahen, mit der er sich - so dachte sie - vermutlich zugedeckt hatte. Ohne ihn eines Blicks zu würdigen, stieg sie über ihn hinweg. Sobald sie um die Ecke waren, lockerte die Mutter ihren Griff um Emmelines Arm, riss die Tür auf und stürmte, während sie laut den Namen ihres Mannes rief, in den Kassenraum. Emmeline folgte ihr etwas langsamer.
    Ihre markerschütternden Schreie waren sogar noch auf dem Friedhof zu hören, und die Leute kamen herbeigeeilt, um zu sehen, was geschehen war. Jene, die das schaurige Bild im Kassenraum sahen, bevor Sheriff Sloan kam und die Türen versiegelte, sollten es ihr Leben lang nicht mehr vergessen. John Cletchem, der Fotograf, den der Sheriff rufen ließ, musste immer wieder auf die Straße hinauslaufen, um sich zu übergeben, während er die Polizeiaufnahmen machte. Zwei der Opfer, Franklin Carroll und Malcolm Watterson, waren gleichzeitig erschossen worden und waren aufeinander zu gestürzt. Sie knieten beide noch und schienen einander zu umarmen, und jeder hatte den Kopf des anderen auf der Schulter.
    Daniel Ryan sah sich fast mit einem Aufstand konfrontiert, als er am Tag darauf um kurz nach eins die Stadt erreichte. Eines heftigen Gewitters wegen hatte er länger für die Reise gebraucht, als er erwartet hatte. Sheriff Sloan begleitete ihn zur Bank, berichtete ihm, was geschehen war, und schloss die Tür auf, um mit ihm hineinzugehen.
    Die Leichen waren noch nicht aus dem Kassenraum entfernt worden. Falls Ryan bei dem Anblick übel wurde, gelang es ihm, es zu überspielen. Langsam ging er durch den Raum und betrachtete die Toten aus allen Blickwinkeln. Nur eins ließ darauf schließen, dass er innerlich nicht unbeteiligt war: Seine Hände waren zu Fäusten geballt, und zwar so hart, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
    In einem erstickten Flüstern sagte der Sheriff: »Ich wusste nicht, ob ich die Leichen fortbringen oder sie hier lassen sollte, damit Sie sie sehen konnten. Habe ich das Richtige getan?«
    Bevor Ryan antworten konnte, fuhr Sloan fort: »In der Gasse neben der Bank wurde noch eine andere Leiche gefunden. Der Mann hieß Billie und war ein stadtbekannter Trinker. Er ist erstochen worden, und bevor ich den Bestattern sagen konnte, sie sollten ihn nicht anrühren, haben sie ihn begraben. Von diesen armen Kerlen hier in der Bank habe ich Aufnahmen machen lassen, aber Billie war schon fort, und deshalb konnten wir ihn nicht fotografieren.«
    Der Gestank war unerträglich. Sloan hielt ein Taschentuch vor Mund und Nase, um es nicht riechen zu müssen. Da er sich nicht dazu überwinden konnte, seine toten Freunde anzusehen, starrte er zur Zimmerdecke hinauf »Ich will nicht, dass die Familien dieser Männer sehen ...« Sloan konnte nicht weiterreden. Er würgte, fuhr herum und umklammerte den Türknauf. Ryan musste ihn für ihn drehen. Der Sheriff rannte hinaus, bückte sich vor all den Menschen, die sich dort versammelt hatten, und erbrach sich auf die Straße.
    Ryan kehrte zu seiner Untersuchung zurück und hockte sich neben eine der Leichen, um sich eine Kugel anzusehen, die er in einer der Holzdielen entdeckt hatte. Er konnte noch immer Sloans Würgen hören, als wieder die Tür aufging und eine weitere herrlich frische Brise Luft hereinströmte. Cole kam in den Kassenraum geschlendert. Ryan drehte sich zu ihm um und wartete auf eine Reaktion.
    Cole war nicht vorbereitet auf die grauenhafte Szene in der Bank. Als wäre er gegen eine Wand geprallt, taumelte er zurück und flüsterte: »Oh ... Gott!«
    »Wirst du davonlaufen, oder wirst du bleiben?«, fragte Ryan.
    Cole antwortete nicht. Ryans Augen glühten jetzt vor Zorn. »Schau es dir gut an, Cole. Jeder dieser Männer hätte einer deiner Brüder sein können. Sag mir, wie oft gehen sie zur Bank? Oder deine Mutter? Oder deine Schwester?«, fragte er mit einer Stimme, die so scharf war wie ein Peitschenknall.
    Cole schüttelte den Kopf und fuhr fort, die beiden knieenden, aneinander gelehnten Leichen anzustarren. Er konnte den Blick nicht von ihnen abwenden.
    »Wage ja nicht, mir zu sagen, das hier sei nicht dein Problem«, warnte Ryan. »Ich habe es dazu gemacht, als ich dich zum Marshal ernennen ließ. Ob es dir nun passt oder nicht, du kannst jetzt nicht mehr fort. Du wirst mir helfen, diese Scheusale zu finden.«
    Cole sagte kein Wort. Er kämpfte mit demselben Bedürfnis, das den Sheriff hinausgetrieben hatte, obwohl er gleichzeitig spürte, wie seine Wut

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