Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
gegangen. Kein zusätzlicher Sanierungsbedarf.
»Ich wollte Himmel und Hölle für dich machen«, jammerte meine Mutter. »Das hast du als Kind immer so gern gegessen!«
»Es heißt Himmel und Erde«, sagte ich. »Und ich mochte es noch nie.«
Meine Mutter nahm ein Küchentuch und begann, den Herd abzutupfen. Alles war gesprenkelt von Fettspritzern und verbrannten Teigbatzen.
»Kann auch sein, dass ich es als Kind gern aß«, gab sie zu. »Alle Kinder mögen es!«
»Ich bin kein Kind mehr, Mutter. Sondern fast fünfundvierzig.«
»Ich wünschte, du würdest nicht immer so darauf rumreiten«, beschwerte sich meine Mutter. »So, wie du es sagst, klingt es irgendwie … alt.«
»Es ist alt.«
Meine Mutter hob das Kinn. »Wenn du dich alt findest, bitte sehr. Aber ich für meinen Teil lehne das ab. Also für mich ganz persönlich, meine ich. Aus diesem Grund möchte ich auch lieber Lieselotte genannt werden. Oder meinetwegen auch Liesel, falls es dir zu umständlich ist.«
Ich sah zu, wie sie den Herd abzutupfen versuchte.
»Benny?«, schrie ich nach draußen. Er stand auf dem Rasen und verspritzte mit dem Gartenschlauch Wasser, abwechselnd auf die immer noch rauchende Pfanne und auf Spike, der die Dusche mit begeistertem Kläffen quittierte und dem Strahl hinterhersprang. »Kannst du Timo aus dem Kindergarten holen?«
»Muss gleich zurück zur Schule«, kam es zurück. »Gibt es noch was zu essen?«
Das Ende vom Lied war, dass ich – was nur sehr selten vorkam – Mittagessen beim Pizzaservice bestellte und meinen jüngsten Sohn selbst vom Kindergarten abholte.
»Ich würde es ja für dich machen«, sagte meine Mutter. »Aber ich bin in der letzten Zeit kaum Auto gefahren.«
Genau genommen war sie seit über vierzig Jahren nicht mehr gefahren. Sie hatte mit dreißig den Führerschein gemacht, in Australien, und zurück in Deutschland hatte es ein paar unerfreuliche Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern gegeben; der ersten war Onkel Huberts Auto zum Opfer gefallen.
»Eigentlich war es nicht meine Schuld, wisst ihr. Es liegt daran, dass hier alle einfach auf der anderen Straßenseite fahren. Man sollte da wirklich mal einheitliche Regeln einführen.«
Danach hatte sie noch ein weiteres Auto in einen Schrotthaufen verwandelt, es gehörte ihrem damaligen Freund, was sie den Führerschein (für drei Monate) und die Beziehung (für immer) gekostet hatte. Anschließend hatte sie zwar nach Ablauf der Sperrfrist den Führerschein zurückbekommen, sich aber nicht mehr selbst hinters Steuer gesetzt.
Ich bat meine Mutter, dem Pizzaboten zu öffnen, wenn er klingelte, und dann machte ich mich auf, um Timo abzuholen.
Meine Reisetasche, noch voll mit der Wäsche, die ich im Krankenhaus benutzt hatte, stand derweil da, wo ich sie fallen gelassen hatte – mitten in der Diele. Ich rechnete nicht damit, dass irgendwer sie für mich auspackte.
*
Im Kindergarten bildeten die Mütter eine Art Spalier. Alle starrten mich an, überall wurde getuschelt. Ich hörte Satzfetzen, in denen Äußerungen vorkamen wie Lungenschuss und Augenringe und immer dieselbe Frisur .
Eine sprach mich direkt an.
»Dürfen Sie denn schon wieder herumlaufen?«, fragte sie. »In der Zeitung stand, dass Sie notoperiert werden mussten!«
»Die Zeitungen übertreiben manchmal. Ich bin noch krankgeschrieben und muss mich ein bisschen langsamer bewegen, aber das wird schon.«
»Toll, dass Sie jetzt Ihr Haus machen lassen können«, sagte sie.
»Woher wissen Sie das?«, fragte ich verblüfft.
»Stand heute im BLATT .«
Das musste besagte Presseerklärung sein, von der Harald Kleinlich gesprochen hatte. Die, mit der die Hilfsbereitschaft der Bank ins rechte Licht gerückt wurde. Ich durfte nicht vergessen, mir die aktuelle Ausgabe zu besorgen.
Janin ohne e holte Chantal ab, sie kniete vor der Kleinen, um ihr mit den Schuhen zu helfen. Trotz ihres gesenkten Kopfes konnte ich sehen, dass sie wieder die Sonnenbrille trug. Sie hatte entweder immer noch oder schon wieder ein Veilchen zu verstecken. Außerdem hatte sie ihr Nasenpiercing rausgenommen, das Loch für den Stecker war blutunterlaufen und geschwollen. In Hörweite der anderen Mütter konnte ich sie schlecht darauf ansprechen, aber irgendwie musste ich es versuchen.
»Janin, können wir mal reden?«, fragte ich sie.
Als sie mit erschrockenem Gesicht hochschaute, meinte ich beiläufig: »Es geht um Timo und Chantal. Die beiden wollen zusammen spielen. Da könnten wir uns doch mal
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