Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
hervor. »Bei Ihnen sieht die Basis für eine Grundschuld gar nicht mal so schlecht aus. Wie Sie wissen, befinden sich die Zinsen für Grundstückskredite derzeit auf einem historischen Tiefstand, was die Bedingungen nochmals entscheidend verbessert. Unter Berücksichtigung der finanziellen Ausgangslage, der vorhandenen Sicherheit und einer Extrapolierung der weiteren Einkommensentwicklung können wir Ihnen in der Tat ein sehr brauchbares Angebot machen. Für Ihre Bedürfnisse dürfte es mehr als ausreichend sein. Nach grober Kalkulation der von Ihnen aufgelisteten Sanierungsarbeiten sind diese damit sicher zu stemmen.«
Er reichte mir die aufgeklappte Mappe, und ich schluckte, als ich die enorme Zahl sah, die als Kreditsumme eingetragen war. Achtzigtausend Euro! Bei erstaunlich hoher Auszahlung, sogar nach Abzug der festen Kosten für den Notar und anderen Abschlussgebühren. Und der Zinssatz war geradezu traumhaft! So günstig, wie ihn sonst nur Großverdiener kriegten. Die Laufzeit war kürzer und die Monatsrate erschwinglicher, als ich es mir vorgestellt hatte. Das ließ sich hinkriegen!
»Sehen Sie sich alles gründlich an«, riet mir Harald Kleinlich. »Lassen Sie sich nötigenfalls nochmals von unabhängiger Seite beraten, holen Sie ruhig woanders ein Gegenangebot ein. Schlafen Sie über alles und werden Sie gesund, und dann geben Sie mir Bescheid, einverstanden?«
Ich war mehr als einverstanden, so sehr, dass ich es kaum herausbrachte, weil ich so aufgewühlt war. Ich suchte nach Worten, um mich zu bedanken, doch wieder winkte er nur ab.
»Das ist doch unser Job! Wenn unsere Kunden glücklich sind, sind wir es auch!« Er gab mir zum Abschied die Hand, was ein prickelndes Gefühl in meinen Fingern hinterließ, und auch, als er schon gegangen war, schwebte noch minutenlang der Duft seines edlen Rasierwassers im Zimmer.
*
»Natürlich blieb ihm gar nichts anderes übrig«, sagte Berit, die nach Feierabend zusammen mit den Kindern und meiner Mutter noch einmal vorbeikam. »Nachdem das erst in der Presse so richtig breitgetreten wurde, hatte er überhaupt keine andere Wahl.«
»Ich glaube, ich war einfach zu voreilig mit meiner Annahme, dass mein Antrag abgelehnt würde«, wandte ich ein. Mein Glück kannte keine Grenzen. Ich war regelrecht euphorisch. Das konnte Berit mir nicht vermiesen. »Ich hätte nicht gleich das Schlimmste von ihm annehmen sollen.«
»Wer das Schlimmste annimmt, kann nicht enttäuscht werden«, sagte Berit.
»Im Gegenteil«, sagte meine Mutter. »Wer das Schlimmste annimmt, legt erst das Fundament dafür, dass es auch tatsächlich eintrifft. Ihr habt doch bestimmt schon von dem Phänomen der Selffulfilling Prophecy gehört, oder?«
»Am besten ist, man nimmt überhaupt nichts an«, sagte Benedikt.
»Wieso ist das am besten?«, fragte Sophie.
»Weil man sich dann immer überraschen lassen kann. So wird es nie langweilig.«
Meine Mutter betrachtete ihren ältesten Enkel fasziniert. »Unglaublich! Was du dir für Gedanken machst!«
»Er macht sich ja gerade keine «, sagte Sophie verdrossen. »Deshalb ist auch immer der Tank leer, wenn er das Auto hatte. Super Überraschung, wirklich.«
»Ich habe heute im Kindergarten gebrochen«, warf Timo ein. Klein und verloren stand er neben meinem Bett, im Schatten seiner großen Geschwister.
Ich war ganz erschrocken und zog ihn sofort in meine Arme. »War dir schlecht, mein Kleiner?«
»Weiß nicht. Ich habe zuerst auf den Frühstückstisch gebrochen und dann noch in die Bastelecke. Dann musste ich raus auf den Flur. Da habe ich auch noch mal gebrochen, auf die Schuhe.« Er dachte kurz nach. »Aber nur auf die von den anderen Kindern. Nicht auf meine.«
Berit blickte meine Mutter stirnrunzelnd an. »Wussten Sie davon?«
»Natürlich. Die haben mich angerufen. Ich musste ihn ja schließlich abholen.«
Berit war verärgert. »Hätte er nicht besser zu Hause bleiben sollen? Vielleicht ist es ein Virus. Er könnte Annabell anstecken. Das wäre in ihrem Zustand nicht gerade toll.«
»Ich will dich nicht anstecken, Mami!«, sagte Timo ängstlich.
»Keine Sorge, du steckst mich nicht an«, beruhigte ich ihn. »Und selbst wenn – es wäre gar nicht schlimm. Hier sind ganz viele Ärzte. Sogar ein Chefarzt, ein richtiger Professor.«
»War er schon da?«, wollte meine Mutter wissen. »Hast du dir vorher die Nase ein bisschen gepudert?«
»Hast du Timo Kamillentee gemacht?«, fragte ich zurück.
»Es ist garantiert kein Virus«, sagte
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