Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Zimmerleute hatten mit dem Einbau der Türen angefangen, die Fenster kamen als Nächstes dran. Parallel dazu sollte sukzessive in den Schlafräumen Laminat verlegt werden; die alten Teppichböden würden Zimmer für Zimmer entsorgt werden, damit der Estrich für den neuen Bodenbelag vorbereitet werden konnte. Alles lief nach Plan.
Nur nicht auf dem Dach. Da lief nichts.
Wenn das so weiterging (beziehungsweise nicht weiterging), würde Helga noch zu Weihnachten parat stehen.
Und dann kam ein Anruf, der mir buchstäblich den Boden unter den Füßen wegzog. Es war der Gerüstlieferant. Unter lautem Wutgebrüll teilte er mir mit, dass ein Gläubiger der Firma Jück Insolvenzantrag gestellt habe.
»Das ist nur Ihre Schuld!«, schrie er.
»W-wieso?«, brachte ich stammelnd heraus.
»Hätten Sie sich nicht so zickig angestellt, hätte ich mir das Gerüst holen können, bevor dieser dämliche Konkursantrag kam! Jetzt sitze ich auf meinen Außenständen!«
Er hatte wenigstens etwas, worauf er sitzen konnte. Ich dagegen sackte zu Boden, weil mir die Knie nachgaben. Ich rutschte an der Wand meines Wohnzimmers herunter, den Rücken an den stoisch lächelnden Rock Hudson gelehnt. Blicklos starrte ich auf mein zeterndes Handy.
»Aber das letzte Wort ist da noch nicht gesprochen!«, schrie es mir entgegen. »Ich werde Ihnen meinen Anwalt auf den Hals hetzen und Sie für alles verantwortlich machen, dann werden Sie sich wünschen, nie geboren worden zu sein!«
Ich drückte ihn einfach weg. In meinem Kopf hämmerte nur ein einziges Wort, immer wieder. Konkurs. Konkurs. Konkurs.
Der gefräßigste aller hinterhältigen Raubvögel, der Pleitegeier, hatte soeben mit rauschenden Schwingen zur Landung angesetzt. Direkt auf meinem Dach.
*
»Und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll«, schloss ich meinen Bericht. Ich saß in Harald Kleinlichs Büro. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung hatte er sich schon am nächsten Tag eine halbe Stunde für mich freinehmen können.
»Das ist eine sehr schwierige Situation«, sagte er.
Das war noch harmlos ausgedrückt. Ich hatte keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. Meine Augen brannten immer noch von der durchheulten Nacht, ich hatte Unmengen von Löscher zum Einsatz bringen müssen. Trotzdem war es meiner Mutter und Helga am Frühstückstisch aufgefallen. Ich hatte behauptet, an einer Heuschnupfenattacke zu leiden.
»Streng genommen ist es ja gar nicht mein Geld, mit dem dieser Dachdecker sich vom Acker gemacht hat«, sinnierte ich. »Aber an die Bank muss ich es wohl trotzdem zurückzahlen, oder?«
Harald Kleinlich (irgendwie klappte es heute nicht so recht, ihn mental beim Vornamen zu nennen) nickte bedauernd. »Daran werden wir wohl leider nichts ändern können. Zum Glück waren die Kreditmittel so bemessen, dass Sie noch umdisponieren können.«
Hoffnungsvoll erwiderte ich seinen Blick. Er wirkte so freundlich und väterlich, seine souveräne Ausstrahlung hatte etwas ungemein Beruhigendes. Ich war froh, dass ich hergekommen war. Wenn mir jemand weiterhelfen konnte, dann er!
»Was genau meinen Sie mit umdisponieren?«, fragte ich.
»Einen anderen Dachdecker beauftragen und zusehen, dass das Dach vor dem nächsten großen Regen fertig gedeckt wird.«
Klasse. Das hatte Berit mir auch schon geraten.
»Aber ich habe doch keine Dachpfannen«, wandte ich ein. »Die waren ein Riesenposten bei diesem ganzen Auftrag. Das Geld wird nicht reichen, noch mal neue zu kaufen, jedenfalls nicht solche guten.«
»Nun, im Grunde ist es ganz einfach: Sie müssen die vorhandenen Pfannen herausverlangen.«
»Von wem? Soll ich ein Mahnschreiben nach Santo Domingo schicken? Und was mache ich, wenn Fritz Jück die Pfannen schon um die Ecke gebracht hat?«
Harald Kleinlichs Lächeln fiel ein wenig gequält aus. »Hier sollte schnellstmöglich herausgefunden werden, ob bereits ein Insolvenzverwalter eingesetzt wurde.«
»Und der müsste mir dann die Pfannen geben?«
»Sobald er die ganze Angelegenheit geprüft hat und die Pfannen noch da sind – durchaus.«
»Und wo kriege ich raus, ob es einen Insolvenzverwalter gibt?«
»Beim Amtsgericht.«
Na toll.
»Die richtige Vorgehensweise ist hier das A und O«, erklärte Harald Kleinlich. »Denn es gibt gewisse Möglichkeiten, den Schaden zu begrenzen.«
Endlich kamen die guten Ratschläge! Darauf hatte ich gehofft!
Erleichtert lächelte ich den Banker meines Vertrauens an. »Ich bin dankbar für jeden guten Tipp, ehrlich!«
Harald
Weitere Kostenlose Bücher