Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
vier Zähne auf einmal gefehlt, ich hatte eine riesige Lücke. Ich kann dir ja gleich mal ein Foto von meiner Einschulung zeigen. Da habe ich vielleicht lustig ausgesehen!«
Das hätte ich besser nicht gesagt. Bei dem Wort Einschulung zuckte Timo zusammen und würgte.
»Tief durchatmen«, sagte ich hastig und machte es ihm vor.
Wenigstens behielt er diesmal sein Essen bei sich.
*
Helga hatte ihre eigene Art, mit dem Problem umzugehen. »Das geht vorbei«, sagte sie lapidar. »Mit Martin war es genauso, als er in die Schule sollte. Bei ihm kam es allerdings unten raus. Himmel, war das ein Schisser!«
Ich war überrascht, auf diese Weise quasi en passant etwas über mögliche familiäre Veranlagungen zu erfahren. Waren Einschulungsphobien vielleicht sogar erblich?
»Noch was«, sagte Helga, während sie ihre Liste für den nächsten Einkauf Korrektur las. »Lieselotte hat jemanden eingeladen. Zum Essen.«
»Wen denn?«
»Einen Bekannten «, sagte Helga mit abfälliger Betonung.
Oh. Hm. Ob das derjenige war, der meiner Mutter die SMS geschrieben hatte? Oder schon wieder ein anderer?
»Ich habe nichts dagegen, wenn sie einen Freund zum Essen einlädt«, sagte ich großmütig. Genau genommen interessierte es mich brennend, welcher Mann meine Mutter für ein Rasseweib hielt.
»Sie will für ihn kochen«, sagte Helga.
»Sie kann nicht kochen.«
»Eben. Und es kommt noch schlimmer: Sie will ihm argentinische Rindersteaks auftischen. Anscheinend hat sie ihm weisgemacht, sie hätte in Argentinien jahrelang nichts anderes getan als Weltklassesteaks zu braten.« Helga blickte mich Unheil verkündend an. »Sie sagte zu mir, ein Steak zu braten, sei einfach ! Doch ein perfektes Steak ist Haute Cuisine.« Grimmig räumte sie ein: »Sogar mir ist schon mal eins missraten. Bei Lieselotte würde es ein Desaster. Deshalb muss ich das übernehmen.«
»Hat sie das gesagt?«
»Nein, natürlich nicht, das würde noch fehlen! Ich entscheide immer noch selbst, für wen ich koche!«
»Wenn es keiner von dir verlangt, musst du es doch auch nicht machen!«
»Glaubst du etwa ernsthaft, ich würde sie auch nur noch einmal in die Nähe dieses Herds lassen? Sie wollte gestern ein Probesteak braten, als du unterwegs warst und ich mich im Keller um die Wäsche gekümmert habe. Ich musste hinterher über eine Stunde putzen.«
Deswegen hatte es bei meiner Rückkehr so merkwürdig streng gerochen, wie nach einer Mischung aus Ruß und Kernseife.
Ich passte meine Mutter bei nächster Gelegenheit ab, um mehr über diese Einladung herauszufinden. Sie war damit beschäftigt, in ihrem Zimmer (das früher mal mein Arbeitszimmer gewesen war) das Bettsofa von der Wand weg zu zerren.
»Was tust du da? Du wirst dir einen Bruch heben!« Schnell fasste ich mit an.
»Ich suche eine günstigere Bettposition.«
Davon hatte ich noch nie gehört, höchstens von einer günstigeren Schlafposition. Berit, die in ihrem Job bei der Krankenkasse gute Einblicke in die Materie hatte, hatte mir erzählt, dass man am besten auf der rechten Körperseite schlief, denn links war das Herz, das wurde bei rechtsseitigem Schlafen am wenigsten eingequetscht.
»So ist es besser«, befand meine Mutter.
Das Bett stand jetzt quer im Raum, man kam kaum noch vorbei.
»Was soll daran besser sein? Warte, sag es nicht. Es hat mit Feng Shui zu tun, oder?«
Meine Mutter nickte. »Man soll nicht mit dem Kopf oder den Füßen in Richtung Tür schlafen, dadurch entstehen ganz negative Schwingungen.«
»Stimmt es eigentlich, dass du … äh, jemanden zum Essen einladen willst?«, fragte ich beiläufig, während ich die Bettwäsche glattstrich, die durch das Manöver in Unordnung geraten war.
»Ach, das ist noch gar nicht amtlich«, wehrte meine Mutter ab. »Ich dachte einfach, es wäre eine nette Abwechslung, man will ja auch mal im privaten Umfeld essen, nicht immer bloß in Restaurants. Und wenn ich schon jemanden einlade, will ich auch eigenhändig für ihn kochen.«
»Gute Idee«, behauptete ich. »Helga hat gesagt, es soll Steak geben.«
»Sie traut es mir nicht zu«, sagte meine Mutter. Kämpferisch fuhr sie fort: »Aber ich werde ihr beweisen, dass ich es drauf habe. Meine Güte, ich werde ja wohl noch ein paar blöde Steaks braten können! Falls sie denkt, dass sie das einfach an sich reißen kann, täuscht sie sich gewaltig!«
»Ich glaube nicht, dass sie das vorhat«, log ich.
»Falls doch, werde ich es verhindern«, versicherte meine Mutter. »Es soll ein
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