Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
spähte die Straße entlang. »Da stand vorhin so ein Wagen, als ich kam … Der ist jetzt weg.«
»Das hier ist rein privat«, sagte Tobias. Er war neben mich getreten und musterte den Reporter mit verbindlicher Freundlichkeit, doch ich spürte, dass er ein Pokerface aufgesetzt hatte.
»Kann ich das so schreiben?«, fragte Klaus Rademann. »Ein privater Besuch des ermittelnden Hauptkommissars beim Opfer?«
»Nein«, sagte Tobias sofort.
»Ah. Dann ist es also doch dienstlich?«
»Es gibt keinerlei neue Erkenntnisse in dieser Sache. Sie schreiben gar nichts über mich, klar?«
Aber der Reporter war nicht blöd. Er hatte genau gemerkt, dass etwas im Gange war und dass die Ermittlungsbehörden beileibe nicht so im Nebel stocherten wie ich es vorhin dargestellt hatte.
»Okay«, sagte er. »Solange ich exklusiv alle News in dieser Sache kriege, schreibe ich, dass es keine neuen Erkenntnisse gibt. Abgemacht?«
»Meinetwegen«, sagte Tobias.
Stirnrunzelnd sah er zu, wie der Reporter zu seinem Wagen ging, ein unbekümmertes Grinsen in seinem blutverschmierten Gesicht.
»Ich hasse es, mit solchen Leuten Deals machen zu müssen«, meinte er.
»Ja, das ist bestimmt total lästig«, antwortete ich fromm, obwohl ich gegen die finanziellen Begleitumstände dieser Deals nicht das Geringste einzuwenden hatte.
Meine Familie hatte sich im Hintergrund versammelt und bedachte den Neuankömmling mit bohrenden Blicken. Ob sie auch bemerkten, wie aufgeregt ich wegen des unverhofften Besuchs war? Zum Glück hatte ich mich in Erwartung des BLATT -Reporters ordentlich geschminkt und meine beste Jeans angezogen.
»Willst du uns nicht vorstellen?«, fragte meine Schwiegermutter.
»Das ist Tobias Anders vom Raubdezernat«, sagte ich. »Tobias, das ist meine Schwiegermutter Helga Wingenfeld. Meine Mutter kennst du schon.«
»Ja, wir haben uns nach dem Bankraub unterhalten«, sagte meine Mutter mit leuchtenden Augen.
»Meine Tochter Sophie, mein großer Sohn Benedikt. Und Timo kennst du ja auch schon.«
»Woher?«, wollte Benedikt argwöhnisch wissen.
»Er wollte Mamas Führerschein sehen«, erklärte Timo. Er wandte sich an Tobias. Sein kleines Gesicht zeigte rechtschaffene Empörung. »Der Mann von vorhin hat mein Baumhaus kaputt gemacht. Kannst du ihn verhaften?«
*
»Mama, was will der Typ eigentlich von dir?«, wollte Sophie wissen. Sie war mir in die Küche gefolgt. Tobias saß mit dem Rest der Familie im Wohnzimmer, während ich frischen Kaffee kochte.
»Er wollte bloß mal nach mir sehen. Sich erkundigen, ob mir vielleicht noch was zu dem Bankraub eingefallen ist.«
»Hätte er dich dafür nicht anrufen können?«
»Er war sowieso in der Gegend«, behauptete ich.
»Und wieso duzt er dich?«
»Ach, bei der Polizei sind sie heutzutage total leger, das ist quasi Kundenfreundlichkeit.«
Sophie musterte mich zweifelnd.
Meine Mutter kam in die Küche. »Der Typ ist scharf«, sagte sie.
»Mutter!«, sagte ich errötend.
Sophie verdrehte die Augen und ging raus. Sie hatte schon den ganzen Tag schlechte Laune gehabt und war ungenießbar.
Kaum war sie weg, kam Helga herein. »Ein Mensch mit angenehmen Manieren«, sagte sie. »Und Beamter im gehobenen Dienst. Kommt mir sehr solide vor. Mit sicheren Pensionsansprüchen und privater Krankenversicherung nebst Landesbeihilfe.«
Damit kannte sie sich aus. Mein Schwiegervater war Beamter in einer Kreisbehörde gewesen, sie bezog eine nette Pension mit allen möglichen Zusatzabsicherungen.
Sie nahm die neu gefüllte Kaffeekanne und ging wieder ins Wohnzimmer, gefolgt von meiner Mutter. Ich legte noch rasch ein paar Stückchen Bienenstich auf eine Platte (frischen natürlich, Helga hatte wie immer zum Wochenende gebacken) und wollte gerade ebenfalls wieder ins Wohnzimmer gehen, als Benedikt in die Küche kam.
»Was will dieser Typ eigentlich von dir?«, wollte er wissen.
»Nur ein paar Infos zu dem Bankraub«, sagte ich, während ich mir vorkam wie in der Wiederholung eines schlechten Films.
»Hätte er dich da nicht einfach anrufen können? Und wieso duzt er dich?«
Mir platzte der Kragen. War ich ein kleines Kind? Musste ich mich für jeden erdenklichen Männerkontakt rechtfertigen?
»Er findet mich heiß und will mit mir ins Bett.«
Meinem Sohn fiel die Kinnlade runter.
Ich seufzte. »Er hat tatsächlich ein Auge auf mich, aber rein dienstlich. Es hängt wirklich mit dem Bankräuber zusammen. Ich bin dem Kerl wieder über den Weg gelaufen. Jedenfalls besteht die
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