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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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Hinter uns höre ich, wie jemand in der Pfütze landet und unsere Verfolgung aufnimmt. Dann noch jemand. Sie sind hinter uns her.
    »Hast du noch Granaten?«, fragt June, während wir rennen.
    Ich greife an meinen Gürtel. »Eine.« Ich löse sie und ziehe den Splint heraus. Wenn ich sie werfe, gibt es kein Zurück mehr. Wir könnten für immer hier unten gefangen sein – doch wir haben keine Wahl und das weiß auch June.
    Ich schreie eine Warnung über die Schulter und werfe die Granate. Der vorderste Patriot sieht es und bleibt schlitternd stehen. Dann schreit er den anderen zu, umzukehren. Wir sprinten weiter.
    Die Detonation reißt uns von den Füßen und schleudert uns durch die Luft. Ich pralle hart auf dem Boden auf und rutsche ein Stück durch eisiges Wasser und Schneematsch, bevor ich liegen bleibe. Ein Dröhnen erfüllt meinen Kopf – ich presse mir fest die Hände auf die Schläfen, um es aufzuhalten. Doch es nützt nichts. Ein rasender Kopfschmerz scheint meinen Schädel zu sprengen, bis sämtliche Gedanken herausquellen, und ich kneife vor Qual die Augen zusammen. Eins, zwei, drei …
    Endlose Sekunden schleppen sich vorbei. In meinem Kopf ein Pochen wie von tausend Vorschlaghämmern. Mühsam schnappe ich nach Luft.
    Dann, zu meiner Erleichterung, lässt der Schmerz nach. In der Dunkelheit öffne ich die Augen – der Boden hat aufgehört zu beben, und obwohl ich noch immer Stimmen hinter uns höre, klingen sie gedämpft, so als befände sich eine dicke Tür zwischen uns. Vorsichtig ziehe ich mich in eine sitzende Position hoch. June lehnt an der Wand und reibt sich den Arm. Wir starren beide in die Richtung, aus der wir gekommen sind.
    Wo sich noch vor wenigen Sekunden ein Tunnel befunden hat, erhebt sich nun ein Haufen aus Trümmern und Beton und blockiert den gesamten Gang.
    Wir haben es geschafft. Doch alles, was ich fühle, ist Leere.

JUNE
    Als ich fünf Jahre alt war, nahm Metias mich mit zum Grab meiner Eltern. Seit ihrer Bestattung war er nicht mehr dort gewesen. Ich glaube, er konnte die Erinnerung an das, was passiert war, einfach nicht ertragen. Die meisten Einwohner von Los Angeles – sogar ein großer Anteil der Bürger aus der Oberschicht – bekommen nicht mehr als einen halben Quadratmeter Platz in ihrem örtlichen Friedhofswolkenkratzer zugewiesen, zusammen mit einem kleinen Kasten aus Milchglas für die Asche ihrer Lieben. Aber Metias hatte die Verantwortlichen bestochen und unseren Eltern eine zwei mal zwei Meter große Parzelle erkauft, mit gravierten Grabsteinen aus Kristall. Vor diesen standen wir nun in unserer weißen Kleidung, mit unseren weißen Blumen in der Hand. Ich starrte Metias die ganze Zeit über an. Noch heute erinnere ich mich genau an seinen angespannten Kiefer, sein ordentlich gekämmtes Haar und seine feucht glänzenden Wangen. Am meisten aber ist mir sein Blick im Gedächtnis geblieben, schwer vor Trauer, zu alt für einen siebzehnjährigen Jungen.
    Genauso sah auch Day aus, als er vom Tod seines Bruders John erfuhr. Und jetzt, als wir Pierra durch den unterirdischen Tunnel verlassen, hat er wieder diesen Blick.
    Zweiundfünfzig Minuten lang (Oder einundfünfzig? Ich bin mir nicht sicher. Mein Kopf fühlt sich fiebrig und benommen an.) sind wir im Laufschritt durch die feuchte Dunkelheit des Tunnels geeilt. Eine ganze Weile noch konnten wir wütende Schreie von der anderen Seite des Trümmerhaufens hören, der uns nun von den Patrioten und den Republiksoldaten trennt. Doch irgendwann verklangen die Stimmen in der Ferne, während wir immer tiefer und tiefer in den Tunnel rannten. Vielleicht mussten die Patrioten vor den anrückenden Truppen fliehen. Vielleicht versuchen die Soldaten mittlerweile, den Schutt aus dem Tunnel zu schaffen. Wir wissen es nicht, also laufen wir weiter.
    Jetzt ist alles still. Die einzigen Geräusche sind unsere eigenen rauen Atemzüge, das Platschen unserer Stiefel durch flache, halb überfrorene Pfützen und das Tropf-tropf-tropf des eiskalten Wassers, das uns von der Decke in die Kragen rinnt. Day umklammert meine Hand, während wir laufen. Seine Finger sind kalt und schrumpelig vor Nässe, aber ich halte sie trotzdem fest. Es ist so dunkel hier unten, dass ich kaum seine Silhouette vor mir erkennen kann.
    Hat Anden den Anschlag überlebt?, frage ich mich. Oder ist es den Patrioten doch noch gelungen, ihn zu ermorden? Bei dem Gedanken fängt das Blut in meinen Ohren an zu rauschen. Meine letzte Undercover-Mission endete damit, dass

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