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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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sind Sie schon in den Kolonien?«, fragt einer der anderen Männer. Sein Akzent klingt fremdartig. Er hat einen bleichen Schnurrbart und strähniges, fettiges Haar und das Licht lässt seinen Teint kränklich wirken. »Seien Sie lieber ehrlich, mein Junge. Lügner kommen bei DesCon nicht weit.«
    »Wir sind erst heute Abend angekommen«, antwortet Day.
    »Und wo sind Sie hergekommen? Arbeiten Sie für die Patrioten?«
    Selbst in meiner Umnebelung ist mir bewusst, dass das eine gefährliche Frage ist. Sie werden nicht gerade begeistert sein, wenn sie herausfinden, dass wir ihren Plan, den Elektor zu ermorden, vereitelt haben. Vielleicht wissen sie noch nicht mal, was passiert ist. Razor hat gesagt, dass sie die Kolonien nur unregelmäßig über die neuesten Entwicklungen informieren.
    Auch Day ist sich der Gefahr bewusst, denn er weicht ihr aus. »Wir sind allein hergekommen.« Er hält kurz inne und redet dann mit einem Hauch Ungeduld in der Stimme weiter. »Bitte, sie glüht vor Fieber. Bringen Sie uns in ein Krankenhaus, dann erzähle ich Ihnen alles, was Sie wollen. Ich bin nicht den ganzen Weg hierhergekommen, nur damit sie auf einer Polizeiwache stirbt.«
    »Das Krankenhaus wird aber verdammt teuer, Junge«, entgegnet der Mann.
    Day greift in eine meiner Hosentaschen und zieht ein kleines Bündel Geldscheine heraus. Mir fällt auf, dass seine Pistole verschwunden ist, wahrscheinlich konfisziert. »Wir haben viertausend Republik–«
    Die Soldaten fallen ihm feixend ins Wort. »Junge, mit viertausend Republiknoten kriegen Sie noch nicht mal einen Teller Suppe«, sagt einer von ihnen. »Außerdem werden Sie beide schön hier warten, bis unser Commander auftaucht. Und dann wandern Sie erst mal ins Kriegsgefangenenlager zum routinemäßigen Verhör.«
    Kriegsgefangenenlager. Aus irgendeinem Grund erinnert mich das an die Mission, auf die Metias mich vor über einem Jahr mitgenommen hat. Wir haben einen Kriegsgefangenen aus den Kolonien durch mehrere Republikstaaten gejagt und ihn schließlich in Yellowstone City getötet. Ich erinnere mich noch genau an sein Blut auf dem Boden und auf seiner marineblauen Uniform. Panik erfüllt mich und ich grapsche nach Days Kragen. Die anderen Männer im Raum geben erschrockene Laute von sich. Ich höre mehrere metallische Klickgeräusche.
    Days Arm drückt mich fester an sich. »Ganz ruhig«, flüstert er.
    »Wie heißt das Mädchen?«
    Day sieht wieder zu den Männern hoch. »Sarah«, lügt er. »Sie ist harmlos – sie ist bloß ziemlich krank.«
    Die Männer erwidern etwas, das Day wütend macht, meine Welt aber löst sich schon wieder in einem wilden Gewirr aus Farben auf und ich sinke zurück in einen fiebrigen Halbschlaf. Ich höre laute Stimmen, das Geräusch einer schweren Tür, die sich öffnet, und dann eine ganze Weile nichts mehr. Manchmal glaube ich, Metias zu erblicken, der mich von der Ecke des Raums aus anstarrt. Dann wieder verwandelt er sich in Thomas und ich kann mich nicht entscheiden, ob ich wütend oder traurig sein soll, als ich ihn sehe. Ein paarmal fühle ich Days Hände an meinen. Er sagt, dass ich mich nicht aufregen soll, dass alles in Ordnung ist. Die Visionen verschwinden.
    Nach einer Zeit, die mir wie Stunden vorkommt, höre ich langsam wieder leise Bruchstücke eines Gesprächs.
    »… aus der Republik?«
    »Ja.«
    » Sie sind Day?«
    »Genau.«
    Schlurfgeräusche, dann ungläubige Ausrufe. »Nein, ich erkenne ihn«, sagt irgendjemand immer wieder. »Ich erkenne ihn, ich erkenne ihn. Er ist es.«
    Wieder Schlurfgeräusche. Dann spüre ich, wie Day aufsteht, und ich sacke allein auf das kalte Laken der Pritsche unter mir.
    Sie haben ihn mitgenommen. Sie haben ihn mir weggenommen.
    Ich will mich an dem Gedanken festklammern, doch das Fieber ergreift erneut Besitz von mir und die Welt wird wieder schwarz.
    Ich bin in meiner Wohnung im Ruby-Sektor, mein Kopf liegt auf einem Kissen, das feucht ist vor Schweiß, über meinem Körper liegt eine dünne Decke und goldenes Nachmittagslicht sickert durch die Fenster herein. Ollie schläft ganz in der Nähe, die riesigen Welpenpfoten träge auf den kühlen Marmorfliesen ausgestreckt. Ich begreife, dass das alles gar keinen Sinn ergibt, denn ich bin fast sechzehn und Ollie demzufolge inzwischen neun Jahre alt. Es muss ein Traum sein.
    Ich spüre ein feuchtes Handtuch auf der Stirn – ich öffne die Augen und sehe Metias neben mir sitzen, der das Handtuch sorgfältig zurechtrückt, damit mir kein Wasser in die

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