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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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diese Woche in der Zeitung. Davor hat Evergreen Entertainment berichtet, dass Sie den Kugeln eines ganzen Erschießungskommandos entwischt und so Ihrer Hinrichtung entgangen sind.« Die Soldatin fängt wieder an zu lachen, doch ich werde ernst.
    Nein, ich bin den Kugeln nicht entwischt. Ich habe meinen großen Bruder vorgeschoben .
    Das Lachen der Soldatin erstirbt, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht. Sie räuspert sich verlegen. »Was diesen Tunnel angeht, durch den Sie beide gekommen sind, den haben wir versiegelt. Der dritte diesen Monat. Es kommen immer mal wieder Republikflüchtlinge wie Sie bei uns an, wissen Sie, und die Bewohner von Tribune haben es langsam satt, sich um sie zu kümmern. Keiner ist besonders wild darauf, dass sich plötzlich Bürger aus dem Feindesland in der eigenen Heimatstadt einnisten. Normalerweise jagen wir sie direkt zurück über die Grenze. Sie hatten wirklich Glück.« Die Soldatin seufzt. »Das alles hier waren mal die Vereinigten Staaten von Amerika. Das wissen Sie doch, oder?«
    Der Vierteldollar-Anhänger an meiner Halskette fühlt sich plötzlich schwer an. »Ja, ich weiß.«
    »Wissen Sie auch von den Überflutungen? Die kamen irrsinnig schnell und haben in noch nicht mal zwei Jahren die Hälfte der tiefer gelegenen Südstaaten ausgelöscht. Staaten, von denen Reps wie Sie wahrscheinlich noch nie gehört haben. Louisiana, weg. Florida, Georgia, Alabama, Mississippi, North und South Carolina, alles weg. So plötzlich, dass man meinen könnte, sie wären nie da gewesen. Wenn man nicht gerade in der Ferne die Spitzen der Gebäude aus dem Ozean ragen sieht.«
    »Und darum sind Sie alle hierhergekommen?«
    »Im Westen gab es einfach mehr Land. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele Flüchtlinge es damals gab? Aber dann hat der Westen eine Mauer gebaut, um die Menschen aus dem Osten aus seinen völlig überlaufenen Staaten fernzuhalten, von North Dakota ganz oben bis runter nach Texas.« Die Soldatin schlägt sich mit der Faust in die Handfläche. »Also mussten wir Tunnel bauen, um auf die andere Seite zu kommen. Damals, als die Migrationswelle am größten war, gab es Tausende davon. Und dann ist der Krieg ausgebrochen. Als die Republik anfing, unsere eigenen Tunnel für Überraschungsangriffe gegen uns zu benutzen, haben wir sie einen nach dem anderen zugeschüttet. Der Krieg tobt schon so lange, dass die meisten Leute heute gar nicht mehr wissen, dass es dabei ursprünglich um Territorium ging. Doch als die Überflutungen nach und nach zurückgingen, stabilisierte sich die Lage hier bei uns. Und wir wurden die Kolonien von Amerika.« Den letzten Satz sagt sie mit stolz geschwellter Brust. »Dieser Krieg wird nicht mehr lange dauern – seit einiger Zeit deutet alles stark auf einen Sieg für uns hin.«
    Ich denke daran, wie Kaede mir nach unserer Ankunft in Lamar erzählt hat, dass die Kolonien kurz vor dem Sieg stehen. Ich hatte nicht weiter darüber nachgedacht – denn was zählt schon die Meinung eines Einzelnen? Ein Gerücht? Doch jetzt spricht diese Soldatin es aus, als wäre es die Wahrheit.
    Wir horchen beide auf, als der Lärm draußen vor dem Gebäude lauter wird. Ich lege den Kopf schräg. Seit wir das Krankenhaus betreten haben, sind Massen von Menschen gekommen und gegangen und ich hatte mir nichts dabei gedacht. Jetzt aber glaube ich, meinen Namen zu hören.
    »Wissen Sie, was da draußen los ist? Können wir meine Freundin vielleicht in ein ruhigeres Zimmer bringen?«
    Die Soldatin verschränkt die Arme. »Wollen Sie vielleicht selbst mal nachschauen?« Sie bedeutet mir, aufzustehen und ihr zu folgen.
    Die Stimmen draußen sind zu einem ohrenbetäubenden Lärm angeschwollen. Als die Soldatin die Balkontüren öffnet und ich hinaus in die Nachtluft trete, schlägt mir eine eisige Windbö entgegen, begleitet von einer donnernden Welle von Applaus. Blitzlichter blenden mich – eine Sekunde lang kann ich nur reglos an der Metallbrüstung stehen und auf die Szene hinunterstarren. Es muss mitten in der Nacht sein, doch vor unserem Fenster haben sich Hunderte von Menschen versammelt, die sich nicht an dem dicken Schnee, in dem sie stehen, zu stören scheinen. Alle Augen sind auf mich gerichtet. Viele halten handgeschriebene Plakate hoch.
    Willkommen auf unserer Seite! , lese ich auf einem.
    Das Phantom lebt! , auf einem anderen.
    Nieder mit der Republik! , steht auf dem nächsten. Es sind Dutzende. Day: Ehrenbürger der Kolonien! Willkommen in Tribune, Day!

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