Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
Fühl dich wie zu Hause!
Sie wissen, wer ich bin.
Die Soldatin deutet nun auf mich und lächelt auf die Menge hinunter. »Das hier ist Day«, ruft sie.
Wieder erhebt sich ein Sturm von Beifall. Ich stehe da wie erstarrt. Was soll man auch sonst machen, angesichts einer riesigen Menschenmenge, die einem wie irre zujubelt? Ich habe keine Ahnung. Also hebe ich die Hand und winke, was das Geschrei noch weiter anschwellen lässt.
»Sie sind hier ein richtiger Star«, ruft die Soldatin mir über den Lärm hinweg zu. Sie scheint all diesen Trubel viel aufregender zu finden als ich. »Der einzige Rebell, den die Republik nicht in die Finger bekommt. Glauben Sie mir, morgen sind Sie auf sämtlichen Titelseiten zu sehen. Evergreen Entertainment leckt sich bestimmt schon die Finger nach einem Interview mit Ihnen.«
Sie redet weiter, aber ich höre ihr nicht mehr zu. Mein Blick ist an einer der Personen, die ein Schild hochhalten, hängen geblieben. Es ist ein Mädchen, das seinen Schal bis über den Mund hochgezogen hat, während der obere Teil seines Gesichts unter einer Kapuze verschwindet.
Aber ich weiß, dass es Kaede ist.
Plötzlich fühle ich mich wie benommen. Ich muss an den rot blinkenden Alarm im Bunker denken, der June und mich gewarnt hat, dass sich irgendjemand unserem Versteck näherte. Die Person, die uns vorhin auf der Straße gefolgt ist, fällt mir wieder ein. War das Kaede? Heißt das, dass auch die anderen Patrioten hier sind? Sie hält ein Schild hoch, das in dem Meer der anderen beinahe untergeht.
Darauf steht: Du musst zurück. Sofort .
JUNE
Ich träume wieder. Da bin ich mir sicher, denn Metias ist bei mir und ich weiß, dass er eigentlich tot sein müsste. Diesmal bin ich darauf vorbereitet und kann meine Emotionen unter Kontrolle halten.
Metias und ich laufen durch die Straßen von Pierra. Rings um uns fliehen Republiksoldaten vor Explosionen und herumfliegenden Trümmern, für uns beide aber wirkt alles ruhig und langsam, so als sähen wir uns einen Film in Zeitlupe an. Erdbrocken und Granatensplitter prallen harmlos von uns ab. Ich fühle mich unbesiegbar, oder unsichtbar. Vielleicht auch beides.
»Irgendetwas stimmt hier nicht«, sage ich zu meinem Bruder. Mein Blick wandert zu den Dächern hoch, dann wieder zurück zum Chaos in den Straßen. Wo ist Anden?
Metias sieht mich nachdenklich an. Er schlendert mit hinter dem Rücken verschränkten Händen neben mir her, so würdevoll, wie es sich für einen Offizier gehört, und die goldenen Quasten an seiner Uniform schwingen beim Laufen sanft hin und her. »Diese Szene macht dir Sorgen«, stellt er fest und reibt über den Hauch von Bartstoppeln an seinem Kinn. Anders als Thomas hat er es in dieser Hinsicht mit den strengen Regeln des Militärs nie sonderlich genau genommen. »Erzähl mir, was los ist.«
»Das Ganze hier«, sage ich und deute auf unsere Umgebung. »Der Plan. Irgendetwas stimmt damit nicht.«
Metias steigt über einen Haufen Betontrümmer. »Was meinst du?«
»Ihn.« Ich deute zum Dach hinauf. Aus irgendeinem Grund steht dort oben Razor, weithin sichtbar, und beobachtet das Treiben. Seine Arme sind verschränkt. »Mit ihm stimmt etwas nicht.«
»Denk nach, Junebug«, erwiderte Metias.
Ich zähle an meinen Fingern ab: »Als ich in den Jeep hinter dem des Elektors gestiegen bin, hatten die Fahrer klare Anweisungen. Der Elektor hat gesagt, sie sollen mich ins Krankenhaus bringen.«
»Und dann?«
»Und dann hat Razor ihnen befohlen, trotzdem die Anschlagsroute zu fahren. Er hat den Befehl des Elektors komplett ignoriert. Er muss zu Andens Fahrer gesagt haben, dass ich auf dieser Route bestanden habe. Das ist der einzige Grund, aus dem Anden seinen Befehl zurückgenommen hätte.«
Metias zuckt mit den Schultern. »Und was bedeutet das? Dass Razor den Mordplan mit allen Mitteln durchziehen wollte?«
»Nein. Wenn der Mordplan geglückt wäre, hätten alle sofort gewusst, wer den Befehl des Elektors verweigert hat. Alle hätten gewusst, dass Razor derjenige gewesen ist, der die andere Route angeordnet hat.« Ich greife nach Metias’ Arm. »Die Republik hätte gewusst, dass Razor versucht hat, Anden zu ermorden.«
Metias presst die Lippen aufeinander. »Warum sollte Razor ein solches Risiko eingehen? Was ist dir sonst noch aufgefallen?«
Ich wende mich wieder dem Zeitlupen-Chaos zu. »Na ja, er schien von Anfang an keine Probleme damit gehabt zu haben, die Patrioten in sein Offiziersquartier in Vegas zu bringen. Er hat
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