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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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nicht mal mehr zur Hälfte das, was es einmal war. Es ist, als hätte er einen Großteil seiner Fähigkeit zum Glücklichsein in der Nacht, als er John verloren hat, eingebüßt und nur noch ein winziges Fünkchen davon behalten – das er sich hauptsächlich für Eden und Tess aufspart. Insgeheim hoffe ich, dass er einen Teil davon auch für mich reserviert.
    »Dreh dich um und zieh dich an«, sage ich zu ihm. »Und dann warte draußen vor der Badezimmertür auf mich. Ich beeile mich.«
    Sieben Minuten zu spät betreten wir das Wohnzimmer wieder. Razor und Kaede warten schon auf uns. Tess sitzt allein auf einem Sofa in der Ecke, die Knie bis zum Kinn hochgezogen, und beobachtet uns aufmerksam. Einen Moment später rieche ich den Duft von gebratenem Hühnchen und Kartoffeln. Mein Blick schweift zum Esszimmer, wo bereits vier mit Essen vollgehäufte Teller auf dem Tisch stehen, die eine nahezu magische Anziehungskraft auszuüben scheinen. Ich versuche, den Duft zu ignorieren, doch mein Magen fängt sofort an zu knurren.
    »Wunderbar«, sagt Razor und lächelt uns an. Sein Blick verharrt auf mir. »Sauber gefallt ihr zwei mir gleich viel besser.« Dann wendet er sich an Day. »Wir haben ein bisschen was zu essen hochbringen lassen, aber da dir innerhalb der nächsten Stunden eine Operation bevorsteht, musst du nüchtern bleiben. Tut mir leid – ich weiß, du musst sehr hungrig sein. June, bitte bedien dich doch.«
    Day starrt auf das Essen. »Na toll«, brummt er.
    Ich gehe mit den anderen ins Esszimmer, während Day sich aufs Sofa legt und es sich so gemütlich wie möglich macht.
    Ich will gerade meinen Teller nehmen und mich zu ihm setzen – aber Tess ist schneller. Sie hockt sich auf die Sofakante, sodass ihr Rücken Days Seite berührt. Während Razor, Kaede und ich schweigend am Tisch essen, sehe ich immer wieder zum Sofa hinüber. Day und Tess unterhalten sich und lachen mit der Vertrautheit zweier Menschen, die einander schon seit Jahren kennen. Ich konzentriere mich auf mein Essen, doch auf meinen Lippen spüre ich noch immer die Hitze unserer Badezimmer-Episode.
    Im Stillen habe ich fünf Minuten heruntergezählt, als Razor einen Schluck aus seinem Glas nimmt und sich zurücklehnt. Ich mustere ihn und wundere mich erneut, dass der Anführer der Patrioten – einer Gruppe, die ich immer für wild und unzivilisiert gehalten habe – so gute Manieren an den Tag legt. »June«, wendet er sich an mich. »Was weißt du über unseren neuen Elektor?«
    Ich schüttele den Kopf. »Nicht viel, fürchte ich.« Kaede neben mir schnaubt und schaufelt weiter ihr Abendessen in sich hinein.
    »Aber du bist ihm doch schon mal begegnet, stimmt’s?«, fragt Razor und verrät damit auch Day, was ich lieber noch ein bisschen für mich behalten hätte. »Bei dem Ball zur Feier von Days Festnahme. Er hat sogar deine Hand geküsst. Korrekt?« Day hält in seinem Gespräch mit Tess inne. Ich winde mich innerlich.
    Razor scheint mein Unbehagen nicht aufzufallen. »Anden Stavropoulos ist ein interessanter junger Mann«, fährt er fort. »Der verstorbene Elektor war ganz vernarrt in ihn. Aber jetzt, da Anden diesen Posten angetreten hat, werden die Senatoren unruhig. Das Volk ist aufgebracht und interessiert sich kein Stück dafür, ob Anden nun anders ist als der alte Elektor. Welche Reden Anden auch hält, um sie zu beschwichtigen, sie sehen in ihm nichts anderes als den nächsten reichen Mann, der ihr Leid nicht stoppen kann. Sie sind wütend auf Anden, weil er zugelassen hat, dass Day gejagt und hingerichtet wurde, dass er nie die Stimme gegen seinen Vater und dessen Methoden erhoben hat und dass nun ein Kopfgeld auf June ausgesetzt wurde … Und das ist längst noch nicht alles. Der frühere Elektor hatte das Militär eisern im Griff. In Anden sehen die Leute nicht viel mehr als einen unmündigen Jungen und die Gefahr, dass er genauso wird wie sein Vater. Diese Schwächen wollen wir ausnutzen und das bringt uns auch zu unserem Plan, an dem wir derzeit arbeiten.«
    »Du weißt ja wirklich ziemlich gut über den jungen Elektor Bescheid. Und auch darüber, was bei der Ehrenfeier passiert ist«, erwidere ich. Ich kann mein Misstrauen nicht länger für mich behalten. »Das heißt, du musst an dem Abend auch unter den Gästen gewesen sein. Also bist du ein hochrangiger Republikfunktionär – aber nicht so hochrangig, um zu einer Audienz mit dem Elektor geladen zu werden.« Ich werfe einen Blick auf die edlen Samtteppiche und die

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