Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
Porzellanwaschbecken, Spiegel und Toilette sowie einer Badewanne und einer Dusche mit Wänden aus Milchglas. Insgeheim bin ich nun doch ein kleines bisschen beeindruckt. Dieses Apartment übertrifft sogar den Luxus, den ich aus meiner Wohnung im Ruby-Sektor gewohnt war.
»Seht zu, dass es nicht den ganzen Abend dauert«, mahnt Kaede. »Einigt euch über die Dusche – oder macht’s euch ein bisschen kuschelig und duscht zusammen, wenn das schneller geht. Solange ihr in einer halben Stunde fertig seid.« Kaede grinst mich an (doch ihr Lächeln erreicht nicht ihre Augen), dann zwinkert sie mit erhobenem Daumen Day zu, der sich schwer auf meine Schulter stützt. Bevor ich antworten kann, hat sie sich schon umgedreht und ist den Flur hinunter verschwunden. Ich glaube, sie hat mir noch immer nicht ganz verziehen, dass ich ihr den Arm gebrochen habe.
Kaede ist kaum aus der Tür, als Day in sich zusammensackt. »Kannst du mir helfen, mich hinzusetzen?«, flüstert er.
Ich klappe den Toilettendeckel hinunter und lasse ihn sanft daraufsinken. Er streckt sein gesundes Bein aus und beißt die Zähne zusammen, als er dasselbe mit dem verletzten versucht. Ein Stöhnen dringt über seine Lippen. »Ich muss zugeben«, murmelt er, »dass ich schon mal besser in Form war.«
»Wenigstens ist Tess in Sicherheit«, entgegne ich.
Der Gedanke daran vertreibt einen Teil der Qual aus seinem Blick. »Ja«, wiederholt er mit einem tiefen Seufzer. »Wenigstens ist Tess in Sicherheit.«
Völlig unerwartet packt mich mein schlechtes Gewissen. Tess’ Gesicht hat so liebenswert ausgesehen, so durch und durch gut . Und die zwei wurden nur meinetwegen getrennt.
Bin ich eine von den Guten? Ich weiß es nicht mehr.
Ich beuge mich zu Day hinunter und nehme ihm die Mütze ab. Sein langes Haar fällt mir über die Arme. »Lass mich mal einen Blick auf dein Bein werfen.« Ich knie mich hin und ziehe eins der Messer aus meinem Gürtel. Damit schlitze ich sein Hosenbein bis zur Mitte des Oberschenkels auf. Seine Beinmuskeln sind fest und drahtig und meine Hände zittern, als sie seine Haut streifen. Behutsam ziehe ich den Stoff auseinander, um an die verbundene Wunde zu gelangen. Wir schnappen beide nach Luft. Auf dem Verband hat sich ein großer, feuchter Blutfleck gebildet und die Wunde darunter ist geschwollen und nässt. »Der Arzt sollte sich besser beeilen«, sage ich. »Bist du sicher, dass du überhaupt allein duschen kannst?«
Day wendet hastig den Blick ab und seine Wangen werden rot. »Natürlich.«
Ich hebe eine Augenbraue. »Du kannst doch nicht mal allein stehen.«
»Ja, schon gut.« Er zögert und das Rot seiner Wangen wird noch tiefer. »Vielleicht brauche ich wirklich ein bisschen Hilfe.«
Ich schlucke. »Okay. Dann ist für dich wohl ein Bad angesagt. Bringen wir es hinter uns.«
Ich lasse warmes Wasser in die Wanne. Dann greife ich wieder nach meinem Messer und schneide ganz langsam den blutdurchtränkten Verband über Days Wunde durch. Schweigend sitzen wir da, jeder meidet den Blick des anderen. Die Wunde sieht so schlimm aus wie noch nie, eine faustgroße Masse entzündeten Fleischs. Day wendet den Kopf ab.
»Du musst das nicht machen«, brummt er und rollt seine Schultergelenke, um sie ein wenig zu lockern.
»Genau.« Ich lächele ihn schief an. »Ich warte einfach draußen vor der Tür und komme dann wieder, wenn du ausgerutscht bist und das Bewusstsein verloren hast.«
»Nein«, entgegnet Day. »Ich meine, du musst nicht zu den Patrioten übertreten.«
Mein Lächeln erstirbt. »Tja, da haben wir aber wohl keine große Wahl, oder? Razor will uns beide dabeihaben, sonst hilft er uns gar nicht.«
Days Hand berührt für eine Sekunde meinen Arm und ich höre auf, die Schnürsenkel seiner Stiefel zu lösen. »Was hältst du von dem Plan?«
»Den neuen Elektor zu ermorden?« Ich senke den Kopf und konzentriere mich wieder auf Days Schnürsenkel, dann lockere ich seine Stiefel so vorsichtig wie möglich. Auf diese Frage habe ich noch keine Antwort gefunden, also weiche ich ihr aus. »Tja, was hältst du denn davon? Ich meine, du bist immer so sehr darauf bedacht, keine Menschen zu verletzen. Das muss doch ein ziemlicher Schock für dich sein.«
Voller Entsetzen sehe ich, wie Day mit den Schultern zuckt. »Der Zweck heiligt die Mittel, oder?« Seine Stimme klingt kühl und härter als sonst. »Ich habe einfach nie einen Sinn darin gesehen, Republiksoldaten zu töten. Ich meine, klar, ich hasse sie, aber sie sind ja
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