Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
uns allein. Gerade ist er noch vor uns hergelaufen, nur um im nächsten Moment mit einem abrupten Schlenker in dem Meer aus Uniformen zu verschwinden. Kaede marschiert ohne zu zögern weiter, wird jedoch etwas langsamer, sodass ich zu ihr aufschließen kann. Ihre Lippen scheinen sich kaum zu bewegen, aber ihre Stimme dringt rasiermesserscharf aus meinem Ohrhörer.
»Razor geht zusammen mit den anderen Offizieren an Bord der Dynasty, aber wir zwei können nicht mit den Soldaten einsteigen, sonst wollen sie unsere Ausweise sehen. Darum bleibt uns nichts anderes übrig, als uns reinzuschleichen.«
Meine Augen wandern zum Rumpf des Luftschiffs, auf der Suche nach irgendwelchen Zugangsmöglichkeiten. Ich denke daran, wie ich einmal in ein geparktes Luftschiff eingebrochen bin und zwei Säcke Essenskonserven gestohlen habe. Oder wie ich ein anderes Mal den Maschinenraum eines kleineren Luftschiffs geflutet und es im See von Los Angeles versenkt habe. In beiden Fällen gab es eine ziemlich einfache Möglichkeit, unbemerkt hineinzugelangen.
»Die Abfallschächte«, murmele ich durch mein Mikrofon zurück.
Kaede wirft mir einen flüchtigen, anerkennenden Blick zu. »Ganz der Profi, ich sehe schon.«
Wir setzen unseren Weg durch die Menge fort, bis wir zu einem Aufzug in einer der Ecken der Pyramide gelangen. Hier mischen wir uns unter die kleine Gruppe von Leuten, die vor der Aufzugtür warten. Kaede schaltet mit einem Schnalzen ihr Mikrofon aus und fängt an, entspannt mit mir zu plaudern, während ich darauf achte, keinem der anderen Soldaten direkt in die Augen zu blicken. Viele von ihnen sind jünger, als ich erwartet hätte, manche sogar in meinem Alter, und einige haben bleibende Verletzungen – Gliedmaßen aus Metall so wie ich, ein fehlendes Ohr, eine mit Brandnarben überzogene Hand. Ich sehe hoch zur Dynasty, diesmal lange genug, um die Öffnungen der Müllschächte an den Seiten des Rumpfes zu erkennen. Wenn wir auf diesem Weg in das Luftschiff gelangen wollen, müssen wir ziemlich schnell kriechen.
Nach einer Weile kommt der Aufzug. In schwindelerregendem Tempo rasen wir die schräge Wand der Pyramide hinauf und warten, oben angekommen, erst einmal ab, bis alle anderen ausgestiegen sind. Wir verlassen den Aufzug als Letzte. Während die anderen in beide Richtungen den oberen Gang hinunterströmen, um zu den Einstiegsrampen des Luftschiffs zu gelangen, dreht sich Kaede zu mir um.
»Für uns geht’s noch ein bisschen höher«, sagt sie und nickt in Richtung einer schmaleren Treppe am Ende des Gangs, die bis in die Spitze der Pyramide hinaufreicht.
Schweigend blicke ich nach oben. Sie hat recht. Die Treppe (die vermutlich auf dem Dach endet) führt bis ganz nach oben, wo sich ein Labyrinth aus Metallträgern und einander überkreuzenden Stützbalken erstreckt. Das Heck des angedockten Luftschiffs taucht die Seite der Halle, auf der wir uns befinden, in Schatten. Wenn es uns gelingt, von der Mitte der Treppe in das Gewirr von Metallstreben zu springen, könnten wir unbemerkt zum Schiff gelangen und an der im Dunkeln liegenden Seite des Rumpfes hinaufklettern. Außerdem ist das Belüftungssystem hier oben ziemlich laut. Die Turbinen, zusammen mit dem Lärm und dem Trubel am Boden der Pyramide, sollten wohl ausreichen, um jedes Geräusch, das wir möglicherweise verursachen, zu übertönen.
Bleibt nur zu hoffen, dass mein Bein mitspielt. Ich stampfe zweimal auf, um es zu testen. Es tut nicht weh, aber ich spüre etwas Druck an der Stelle, wo mein Fleisch auf das Metall trifft, so als wäre beides noch nicht ganz zusammengewachsen. Trotzdem kann ich ein Grinsen nicht unterdrücken. »Sieht nach ’ner Menge Spaß aus.« Ich bin fast wieder in meinem Element, zumindest für einen Moment – endlich kann ich wieder das tun, worin ich am besten bin.
Wir laufen ein Stück die dunkle Treppe hinauf, machen einen kleinen Satz nach oben und klettern zwischen die Streben. Kaede springt als Erste. Sie hat ein wenig mit ihrem geschienten Arm zu kämpfen, doch nach einigem Gehangel findet sie sicheren Halt. Dann bin ich dran. Mühelos schwinge ich mich in die Balken hinauf und verschmelze mit der Dunkelheit. Bis jetzt macht das Bein keine Probleme. Kaede beobachtet mich zufrieden.
»Fühlt sich ganz gut an«, flüstere ich.
»Das sieht man.«
Schweigend klettern wir weiter. Ein paarmal rutscht mein Anhänger aus meinem Kragen und ich muss ihn wieder hineinschieben. Ab und zu werfe ich einen Blick nach unten oder hoch
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