Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
verschwörerisch zu. »Ich versuche schon seit Wochen, einen Kuss von diesem Mädchen abzustauben. Die Knieoperation kam dazwischen.« Ich halte inne und gebe ihm eine übertriebene Kostprobe meines Humpelns.
Der Wachposten grinst und stößt ein überraschtes Lachen aus, als wäre es ihm ein Vergnügen, uns bei einem so unanständigen Vorhaben behilflich zu sein. »Ach so, verstehe«, sagt er und wirft kurz einen verständnisvollen Blick auf mein Bein. »Ist aber auch wirklich ’ne Hübsche.« Ich lache ebenfalls und auch Kaede spielt mit und verdreht die Augen.
»Wie Sie schon sagten«, wendet sie sich dann an den Wachposten, als er uns die Tür aufschließt. »Ich bin ziemlich spät dran für die Kontrollen. Wir beeilen uns auch – in ein paar Minuten machen wir uns auf den Weg nach oben.«
»Na dann viel Glück, ihr Turteltäubchen«, ruft er uns spöttisch nach, als wir hineingehen. Wir salutieren flüchtig.
»Ich hatte auch ’ne ziemlich gute Geschichte für ihn parat«, flüstert Kaede beim Weitergehen. »Aber nette Idee. Bist du da ganz allein draufgekommen?« Sie grinst verschlagen und mustert mich von Kopf bis Fuß. »Zu schade, dass ich mit einem so hässlichen Komplizen gestraft bin.«
Ich hebe die Hände, als wollte ich mich dagegen wehren. »Zu schade, dass du so eine schlechte Lügnerin bist.«
Wir laufen einen zylindrischen Flur hinunter, der in schummriges rotes Licht getaucht ist. Selbst hier unten senden Flachbildschirme Nachrichten und Luftschiffinformationen. Im Augenblick zeigen sie alle eine Liste sämtlicher Luftschiffe der Republik mit den dazugehörigen Zielorten, Flugplänen und Routen. Wie es aussieht, sind im Moment zwölf Stück von ihnen in der Luft. Als wir an einem der Bildschirme vorbeikommen, fällt mein Blick auf den Eintrag der RS Dynasty.
REPUBLIKSCHIFF DYNASTY
ABFLUG: 08:51 H OZEANISCHER STANDARDZEIT, 01.13 PHARAO, LAS VEGAS, NV
ANKUNFT: 17:04 H STANDARDZEIT GRENZE, 01.13 BLACKWELL, LAMAR, CO
Lamar. Wir sind also auf dem Weg an die nördliche Front. Ein Schritt näher zu Eden, sage ich mir im Stillen. June wird schon klarkommen. Irgendwann ist auch diese Mission vorbei.
Der erste Raum, den wir betreten, ist gigantisch – Reihen um Reihen von riesigen Kesseln mit zischenden Ventilen und an jedem einzelnen sind Dutzende von Arbeitern beschäftigt. Einige überprüfen die Temperaturen, während andere etwas in die Öfen schaufeln, das wie weiße Kohle aussieht. Alle tragen dieselbe Kleidung wie Tess, als sie sich von der Venezia-Kaserne aus auf den Weg gemacht hat.
Wir huschen durch einen der von Kesseln gesäumten Gänge, bis wir eine weitere Tür erreichen. Noch ein Treppenhaus. Dann betreten wir eins der oberen Decks der Dynasty.
Dieses Luftschiff ist irrsinnig groß. Es ist nicht das erste Mal, dass ich an Bord von einem bin – immerhin habe ich ziemlich oft Lebensmittel aus den Lagerräumen von Luftschiffen geklaut und von ein paar anderen die Motoren zerstört. Mit dreizehn habe ich mich auf das Flugdeck der RS Pacifica geschlichen und Treibstoff aus den Tanks von drei F-170-Kampfjets gestohlen, für den ich dann ein hübsches Sümmchen auf dem Schwarzmarkt kassiert habe. Aber keins davon ist so groß gewesen wie dieses hier.
Kaede tritt vor mir aus dem Treppenhaus und wir finden uns auf einem Metallsteg wieder, von dem aus man einen Blick auf die gesamten oberen Etagen hat. Überall wimmelt es von Soldaten. Wir mischen uns unter sie und versuchen, unsere Gesichter ausdruckslos zu halten. Hier auf der untersten Ebene exerzieren einige Truppen. Der Gang ist von Türen gesäumt, zwischen denen Flachbildschirme die neuesten Nachrichten senden. Über jedem der Monitore hängt das Porträt des neuen Elektors. Die sind hier wirklich auf dem neuesten Stand.
Razors Büro ist eines von einem halben Dutzend Zimmern im Flur des vierten Oberdecks, in die Tür ist ein silbernes Republiksiegel eingelassen. Kaede klopft zweimal. Als Razors Stimme uns hereinruft, öffnet sie die Tür und schließt sie sorgsam wieder hinter uns, bevor sie in Habachtstellung geht. Ich folge ihrem Beispiel. Der Holzboden knarzt unter unseren Stiefeln. Irgendetwas in dem Zimmer duftet schwach nach Jasmin, und während ich die runden, kunstvoll verzierten Lampen und das Elektor-Porträt an der Wand betrachte, fällt mir auf, wie kalt es hier ist. Razor steht in seiner schicken Commander-Uniform neben dem Schreibtisch, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und redet mit einer
Weitere Kostenlose Bücher