Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
Tat umsetzen kann? Nein. So einen Befehl erteile ich nicht. Das ist mein Wille.«
Der Senator kratzt sich verärgert den Bart und legt Anden dann die Hand auf den Ellbogen. »Das Volk läuft jetzt schon Sturm gegen Sie und man wird Ihre Nachsichtigkeit als Schwäche auslegen – beim Volk wie auch unter den Funktionären. Die Administratoren, die für den Großen Test in L. A. zuständig sind, beschweren sich schon, dass wir nicht reagieren. Die Proteste haben sie dazu gezwungen, den Test für ein paar Tage auszusetzen.«
Andens Mund verhärtet sich zu einem schmalen Strich. »Meine Meinung zum Großen Test kennen Sie ja, Senator.«
»Oh ja«, erwidert der Senator finster. »Darüber werden wir ein andermal reden müssen. Aber wenn Sie keine Befehle erteilen, die es uns ermöglichen, den Aufständen ein Ende zu machen, werden Sie sich nicht nur vom Senat, sondern auch von den Stadtstreifen von Los Angeles bald einiges anhören müssen.«
Anden hebt eine Augenbraue. »Ach ja? Entschuldigen Sie. Ich hatte doch tatsächlich den Eindruck, weder der Senat noch das Militär wären in der Position, mein Wort anzuzweifeln.«
Der Senator wischt sich Schweiß von der Stirn. »Na ja, das ist … Natürlich würde sich der Senat Ihren Wünschen beugen, Sir, ich wollte ja nur sagen … also …«
»Helfen Sie mir, die anderen Senatoren davon zu überzeugen, dass dies der falsche Zeitpunkt ist, das Volk gegen die Regierung aufzubringen.« Anden bleibt stehen, dreht sich zu dem Mann um und legt ihm die Hand auf die Schulter. »Ich will mir doch keine Feinde im Kongress machen, Senator. Ich möchte bloß, dass Sie und die anderen Delegierten und der Gerichtshof meine Entscheidungen respektieren, so wie sie es auch bei meinem Vater getan haben. Wenn wir die Aufstände gewaltsam beenden, schürt das bloß die Wut des Volkes auf die Obrigkeit.«
»Aber, Sir –«
Anden bleibt kurz vor meiner Abteiltür stehen. »Wir reden später weiter. Ich bin müde.« Obwohl seine Stimme durch die Tür nur gedämpft zu mir hereindringt, höre ich die Entschlossenheit darin.
Der Senator murmelt noch etwas und neigt dann den Kopf. Als der Elektor nickt, dreht er sich um und eilt davon. Anden blickt ihm kurz nach, dann öffnet er die Tür zu meinem Abteil. Die Wachen salutieren.
Wir nicken einander zu.
»Ich komme, um Ihnen die Bedingungen Ihrer Freilassung mitzuteilen, June.« Sein Tonfall ist distanziert, vielleicht eine Folge des Streits mit dem Senator. Der Kuss vom Abend zuvor erscheint mir wie eine Halluzination. Dennoch hat sein Erscheinen hier eine seltsam tröstende Wirkung auf mich und ich spüre, wie ich mich entspannt in meinem Sitz zurücklehne, als wäre er ein alter Freund. »Wir haben gestern Nacht die Nachricht erhalten, dass es tatsächlich einen Anschlag in Lamar gegeben hat. Ein Zug ist bei einer Explosion beschädigt worden – der Zug, in dem ich hätte sitzen sollen. Über die Täter ist noch nichts Genaueres bekannt und es konnte auch keiner der Angreifer festgenommen werden, aber wir gehen davon aus, dass es die Patrioten waren. Wir haben ein paar Einheiten auf sie angesetzt.«
»Ich bin froh, dass ich helfen konnte, Elektor«, entgegne ich. Ich habe die Hände fest in meinem Schoß verschränkt und muss an meine wunderbar weichen Handschuhe denken. Ist es fair, dass ich so sicher und warm in diesem vornehmen Bahnabteil sitze, während Day wahrscheinlich mit den Patrioten auf der Flucht ist?
»Wenn Ihnen noch irgendetwas anderes einfällt, June, scheuen Sie sich nicht, es zu sagen. Sie sind jetzt wieder Teil der Republik, eine von uns, und ich gebe Ihnen mein Wort, dass Sie nichts zu befürchten haben. Sobald wir Pierra erreicht haben, werde ich veranlassen, dass Ihre Akte bereinigt wird. Und ich werde persönlich dafür sorgen, dass Ihnen Ihr früherer Dienstrang wieder zuerkannt wird – Sie werden allerdings in einer anderen Einheit eingesetzt.« Anden hebt eine Hand an den Mund und räuspert sich kurz. »Ich habe Sie für eine Division in Denver vorgeschlagen.«
»Danke«, erwidere ich leise. Anden tappt den Patrioten direkt in die Falle.
»Ein paar der Senatoren sind der Meinung, dass wir zu nachsichtig mit Ihnen sind, aber es sind sich alle einig, dass Sie unsere größte Hoffnung sind, die Anführer der Patrioten aufzuspüren.« Anden kommt näher und setzt sich mir gegenüber. »Ich bin mir ganz sicher, dass sie bald wieder zuschlagen werden, und ich möchte, dass Sie meine Männer bei der Vereitelung
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