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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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in der Dunkelheit. Er muss auf der Suche nach mir gewesen sein. »Was zum Teufel machst du hier?«, flüstert er. »Du solltest in der Nähe der Explosion deinen Auftritt hinlegen! Wo bist du gewesen?«
    Ich bin nicht in der Stimmung, mich für irgendetwas zu rechtfertigen. »Jetzt nicht«, zische ich zurück und wir fangen an zu rennen. Höchste Zeit, dass wir uns in den Bunker zurückziehen. Die Welt huscht wie ein unwirklicher Nebel an mir vorbei.
    Pascao öffnet den Mund, um noch etwas zu sagen, doch als er mein Gesicht sieht, zögert er und entschließt sich, es bleiben zu lassen.
    »Äh …«, setzt er nach einer Weile etwas ruhiger wieder an, »na ja, du warst ja gar nicht schlecht. Wahrscheinlich spricht sich auch ohne den großen Extrazirkus rum, dass du am Leben bist. Deine Show da oben auf den Dächern war jedenfalls ziemlich sehenswert. Morgen früh wird sich zeigen, wie die Öffentlichkeit auf dein Auftauchen hier reagiert.« Als ich nicht antworte, beißt er sich auf die Lippe und belässt es dabei.
    Ich habe keine Wahl – ich muss abwarten, bis Razor seinen Mordplan vollendet hat, vorher werden sie mir nicht helfen, Eden zu retten. Eine Woge von Zorn auf den jungen Elektor brandet in mir auf: Ich hasse dich. Ich hasse dich aus tiefster Seele und ich schwöre dir, ich werde dich erledigen, sobald ich die Gelegenheit dazu bekomme! Zum ersten Mal, seit ich mich den Patrioten angeschlossen habe, kann ich es kaum erwarten, den Mord zu begehen. Ich werde alles tun, damit die Republik meinem Bruder nie wieder ein Haar krümmen kann.
    Unbemerkt im Gewirr der Soldaten schleichen wir uns weg von dem Feuer, zur anderen Seite der Stadt, und verschwinden in der Nacht.

JUNE
    Nicht mal mehr zwei Tage bis zum tatsächlichen Mordanschlag auf den Elektor. Mir bleiben noch dreißig Stunden, um ihn zu verhindern.
    Die Sonne ist gerade untergegangen, als der Elektor in Begleitung von sechs Senatoren und mindestens vier Personenschutz-Einheiten (achtundvierzig Soldaten) einen Zug nach Pierra, einer Stadt an der Front, besteigt. Ich fahre auch mit. Zum ersten Mal reise ich als normale Passagierin anstatt als Gefangene, und so trage ich heute Abend eine warme Winterstrumpfhose, weiche Lederstiefel (ohne Absätze und Stahlkappen, damit ich sie nicht als Waffen benutzen kann) und ein dunkelrotes Kapuzencape mit silbernen Bordüren. Keine Fesseln mehr. Anden sorgt sogar dafür, dass ich Handschuhe bekomme (weiches Leder, schwarz und rot), und zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Denver fühlen sich meine Fingerspitzen nicht kalt an. Mein Haar, gewaschen und geföhnt, trage ich wie immer zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. Aber trotz allem fühlt sich mein Kopf heiß an und meine Muskeln schmerzen. Die Lampen auf dem Bahnsteig sind ausgeschaltet und außer dem Elektor und seiner Entourage ist niemand zu sehen. Wir besteigen den Zug in vollkommener Stille. Die meisten Senatoren ahnen wahrscheinlich noch nicht einmal etwas von Andens unvermittelt geänderten Reiseplänen, die ihn nun nach Pierra führen und nicht nach Lamar.
    Meine Wachen geleiten mich in mein eigenes Privatabteil, das so luxuriös ist, dass Anden selbst veranlasst haben muss, dass ich es bekomme. Es ist doppelt so lang wie ein normaler Bahnwaggon (knapp fünfundachtzig Quadratmeter mit sechs Samtvorhängen und Andens allgegenwärtigem Porträt an der rechten Wand). Die Soldaten führen mich zu einer Sitzgruppe und ich nehme Platz. Ich erlebe das alles wie aus weiter Ferne, so als wäre nichts davon wirklich real – es ist, als wäre plötzlich alles wieder wie früher und ich ein reiches Mädchen, das seinen rechtmäßigen Platz bei der Elite der Republik einnimmt.
    »Wenn Sie irgendetwas brauchen, lassen Sie es uns wissen«, sagt einer der Soldaten. Sein Ton ist höflich, aber sein angespannter Kiefer verrät mir, wie nervös er in meiner Gegenwart ist.
    Jetzt ist nichts mehr zu hören außer dem sanften Rattern der Räder auf den Gleisen. Ich versuche, die Wachen nicht direkt anzusehen, doch aus dem Augenwinkel beobachte ich sie ganz genau. Befinden sich als Republiksoldaten getarnte Patrioten im Zug? Und wenn ja, haben sie einen Verdacht, was meine Loyalität angeht?
    Das Schweigen liegt schwer über dem Raum, während wir warten. Draußen hat es wieder angefangen zu schneien und der Schnee sammelt sich in den Ecken meines Fensters. Weiße Eisblumen zieren die Scheibe. Der Anblick erinnert mich an Metias’ Beerdigung, an mein weißes Kleid und

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