Legend - Fallender Himmel
Kugeln aus meiner Tasche, die drei Patronen, die Tess nach dem Krankenhauseinbruch bei mir gefunden hat. Eine davon lege ich in meine selbst gebaute Schleuder. Ich muss an den brennenden Schneeball denken, den ich, als ich sieben Jahre alt war, durch ein Fenster der Polizeiwache geschossen habe. Ich richte die Schleuder auf einen der Soldaten, die John festhalten, spanne sie, so weit ich kann, und schieße.
Die Kugel streift ihn so hart am Hals, dass ich das Blut spritzen sehe. Der Soldat sackt in sich zusammen und reißt panisch an seiner Gasmaske. Sofort heben die anderen Soldaten ihre Gewehre und zielen auf das Dach. Ich verharre reglos hinter dem Schornstein.
Das Mädchen tritt vor. »Day.« Ihre Stimme hallt über die Straße. Ich muss den Verstand verloren haben, denn ich bilde mir ein, Mitleid in ihrer Stimme zu hören. »Ich weiß, dass du da bist, und ich weiß auch, warum.« Sie deutet auf John und meine Mutter. Eden ist bereits im Krankenwagen verschwunden.
Jetzt weiß meine Mutter, dass ich der Verbrecher bin, den sie in so vielen Fahndungsanzeigen auf den JumboTrons gesehen hat. Aber ich sage nichts. Ich spanne eine weitere Kugel in meine Schleuder und richte sie auf das Mädchen.
»Du willst nicht, dass deiner Familie etwas passiert. Das kann ich verstehen«, fährt sie fort. »Ich wollte auch nicht, dass meiner Familie etwas passiert.«
Ich lasse den Arm sinken.
Die Stimme des Mädchens wird eindringlicher, beinahe flehend. »Du hast jetzt die Chance, deine Familie zu retten. Ergib dich. Bitte. Dann wird niemand verletzt.«
Einer der Soldaten neben ihr hebt sein Gewehr höher. Reflexartig richte ich meine Schleuder auf ihn und schieße. Die Kugel trifft ihn ins Knie und er stolpert vornüber.
Die Soldaten feuern eine Salve auf mich ab. Ich gehe hinter dem Schornstein in Deckung. Um mich herum fliegen Funken. Ich beiße die Zähne zusammen und schließe die Augen. Ich kann nichts mehr tun. Ich bin vollkommen hilflos.
Als der Kugelhagel abebbt, spähe ich vorsichtig hinter dem Schornstein hervor und erhasche einen Blick auf das Mädchen. Die Frau neben ihr, der Commander, hat die Arme vor der Brust verschränkt. Das Mädchen zuckt noch nicht einmal mit der Wimper.
Schließlich tritt der Commander nach vorn. Als das Mädchen protestieren will, schiebt die Frau es zur Seite. »Du kannst nicht ewig da oben bleiben!«, ruft sie zu mir hoch. Ihre Stimme ist unendlich viel kälter als die des Mädchens. »Und ich weiß, dass du deine Familie nicht sterben lassen wirst.«
Ich lege die letzte Kugel in meine Schleuder und richte sie auf die Frau.
Als ich nicht antworte, schüttelt sie den Kopf. »Okay, Iparis«, wendet sie sich an das Mädchen. »So viel zu Ihrer Taktik. Jetzt wechseln wir zu meiner.« Sie dreht sich zu dem dunkelhaarigen Captain um und nickt ihm knapp zu. »Sie gehört Ihnen.«
Mir bleibt keine Zeit, um zu verhindern, was als Nächstes passiert.
Der Captain hebt seine Pistole und richtet sie auf meine Mutter. Dann schießt er ihr in den Kopf.
JUNE
Die Frau, die Thomas erschossen hat, ist noch nicht ganz zu Boden gegangen, als der Junge, von dem ich jetzt mit hundertprozentiger Sicherheit weiß, dass er Day ist, vom Dach springt. Ich erstarre. Das ist alles völlig falsch. Es sollte niemand verletzt werden! Commander Jameson hat mir nichts davon gesagt, dass sie vorhat, jemanden aus seiner Familie zu töten - ich dachte, wir würden sie zum Verhör in die Batalla-Zentrale bringen. Ich blicke zu Thomas hinüber, um zu sehen, ob er genauso entsetzt ist wie ich. Doch er steht mit ausdruckslosem Gesicht da, die Pistole noch in der Hand.
»Schnappt ihn euch!«, bellt Commander Jameson.
Day landet direkt auf einem der Soldaten und geht zusammen mit ihm in einer Wolke aufgewirbelten Staubs zu Boden.
»Wir brauchen ihn lebendig!«
Day stößt einen markerschütternden Schrei aus und greift den nächstbesten Soldaten an, obwohl sie den Kreis um ihn immer enger ziehen. Irgendwie gelingt es ihm, ein Gewehr in die Finger zu bekommen, doch ein anderer Soldat schlägt es ihm sofort wieder aus den Händen.
Commander Jameson blickt mich an und zieht ihre Pistole aus dem Gürtel.
»Commander, nein!«, platze ich heraus, aber sie ignoriert mich. Im Geiste sehe ich Metias’ Gesicht vor mir.
»Ich werde bestimmt nicht abwarten, bis er meine Soldaten getötet hat«, zischt sie zurück. Dann zielt sie auf Days linkes Bein und drückt ab. Ich zucke zusammen.
Die Kugel verfehlt ihr Ziel (sie hat
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