Legende der Angst
die Schüler lesen, die damals krank geworden sind.«
Kevin stand auf. »Sicher. Wenn du mir versprichst, daß du die Gegend nicht Hals über Kopf verläßt, weil du befürchtest, dir irgendeine unsichtbare Krankheit einzufangen.«
Angela lachte. »Es besteht keine Gefahr, daß sie bei mir unsichtbar bleiben würde. Was immer ich mir auch einfange, es zeigt garantiert sofort Spuren.«
Angela hatte die Bibliothek von Point noch nie zuvor aufgesucht. In Chicago hätte man diese Bücherei fälschlicherweise für die Sammlung einer Privatperson halten können, so klein war sie. Angela und Kevin waren ohnehin nur gekommen, um alte Ausgaben der lokalen Zeitung, The Point Harald, einzusehen, und davon gab es jede Menge im hinteren Teil des Raumes, wie die Bibliothekarin ihnen mitteilte. Letztere war eine ältere Frau, womöglich schon ein bißchen senil, und ganz sicher konnte sie schlecht sehen. Sie hörte sich auf einem Recorder ein auf Band gesprochenes Buch an, als sie die Bibliothek betraten. Als sie sich hinknieten, um die Ausgaben herauszusuchen, die sie brauchten, hörten sie im Hintergrund, wie der Weihnachtsmann seinen schwarzen Gesellen ausschimpfte, weil dieser ein so niederträchtiger Kerl war.
Sie benötigten nur ein paar Minuten, um die richtigen Zeitungen zu finden. Als Angela die Artikel gelesen hatte, war sie nicht viel schlauer als zuvor. Um die drei Dutzend Schüler hatten über Beschwerden geklagt. Man hatte Ärzte hinzugezogen, doch diese hatten nicht herauszufinden vermocht, was den Jugendlichen fehlte. Gutachter und Chemiker waren zu Rate gezogen worden. Auch sie hatten keine Unregelmäßigkeiten ausmachen können. Dann hatten sich die Kranken erholt, die Experten waren glücklich und zufrieden gewesen, bis Mary Blanc mit einem Gewehr und einem ziemlich schwerwiegenden Problem mitten in eine Party geplatzt war.
Angela stieß jedoch auf eine Sache, von der sie vorher nichts gewußt hatte. Sie ergab sich aus einem Interview mit einem Verantwortlichen der Firma, die mit dem Bau der Schule beauftragt gewesen war. Angela rief Kevin zu sich und zeigte ihm die Stelle:
Ich habe bei dem Job Geld verloren. Die Errichtung der Grundmauern hat dreimal soviel Zeit in Anspruch genommen wie veranschlagt, da der Boden so hart war. Unsere Ingenieure haben gesagt, daß der Eisengehalt der Erde zehnmal höher liege, als sie gedacht hatten. Anstatt einer Schule hätten wir hier eine Stuhlfabrik errichten sollen. Vielleicht liegen die Geologen ja richtig mit ihrer Theorie, daß der See seine Entstehung einem Meteoriten zu verdanken hat.
»Point Lake wurde von einem Meteoriten erschaffen?« fragte Angela.
»Soweit ich weiß, stimmt das«, sagte Kevin. »Zumindest trifft das für das riesige Loch in der Erde zu. Das Wasser hat sich natürlich erst später angesammelt.«
»Woher bezieht die Point High ihr Wasser?«
»Aus dem See. Wußtest du das nicht?«
»Nein«, erwiderte sie.
»Angie, mit dem Wasser ist alles in Ordnung. Ich trinke es. Du trinkst es. Mit uns ist alles in Ordnung. Außerdem haben sie das Wasser allen möglichen Tests unterzogen, als die ersten Schüler krank geworden sind. Es ist absolut okay.«
»Kommt das Wasser im Haus meines Großvaters auch aus dem See?« wollte Angela wissen.
Kevin dachte eine Weile nach. »Ich glaube nicht. Ich denke, es kommt aus einem Brunnen oben auf dem Berg, von dem wir zu Hause auch unser Wasser beziehen. Viele Leute auf unserer Seite des Sees bekommen ihr Wasser von dort.«
»Warum holt man sich Wasser von einem Brunnen, wenn der See so nah ist?«
»Weiß ich nicht«, erwiderte er. »Gute Frage.«
»Du sagst, daß einige Leute behaupten, der See habe seine Entstehung einem Meteoriten zu verdanken. Gibt es andere, die nicht dieser Meinung sind?«
»Zuerst einmal ist nichts Ungewöhnliches daran, wenn ein See – oder irgend etwas anderes, in dem Wasser steht – seine Entstehung einem Meteoriten verdankt. Es heißt, daß es bei der Hudson Bay nicht anders war. Was aber nun den Point Lake angeht, so hat es nie Studien gegeben, die mit Sicherheit belegen, daß es so war. Ich für meinen Teil bin sicher, daß hier ein Meteorit eingeschlagen ist.«
»Und warum ist sich unser junger Wissenschaftler dessen sicher?« fragte Angela.
»Weil es in dieser Stadt unmöglich ist, einen Kompaß einzusetzen, um die Himmelsrichtungen zu bestimmen. Die Nadel dreht sich fröhlich. Das Metall hier in der Erde ist magnetisch, und das sind Meteoriten auch oft. Aber bevor
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