Legende der Angst
Erleichterung größer. Sie versuchte sich aufzusetzen, und der Schmerz wich aus ihrem Schädel.
»Autsch.« Sie stöhnte, preßte die Augen zu und krümmte sich. Kevin hielt sie einen Moment, versuchte ihr zu helfen.
»Steh nicht auf«, sagte er. »Bleib einfach sitzen. Wir müssen im Augenblick ohnehin hierbleiben.«
Sie öffnete die Augen wieder und sah, daß sie in einer Lache Blut saß. Ihr ganzes Gesicht war damit verschmiert. Sie hob die Hände an den Kopf. Sie hatte sich einen Schnitt und eine dicke Beule am Hinterkopf zugezogen, aber das viele Blut in dem sie saß, konnte unmöglich von diesen Verletzungen stammen. Sie wandte sich Kevin zu. Er sah nicht aus, als hätte ihn Jims Schlag allzusehr mitgenommen, wenn auch seine linke Gesichtshälfte geschwollen war. Er war nicht blutgetränkt. Was hatten sie mit ihr gemacht? Ihr literweise Blut einzuflößen versucht, als sie bewußtlos auf dem Rücken gelegen hatte? Sie hatte einen widerlichen Geschmack im Mund. Aber das war nicht so schlimm wie das Pochen in ihrem Kopf. Nichts konnte so schlimm sein wie das. Sie mußte unbedingt bald etwas essen, oder sie würde sich den Kopf absägen müssen.
»Wie lange bist du schon wieder bei Bewußtsein?« fragte sie, zog sich das T-Shirt aus der Hose und wischte sich das Gesicht damit ab.
»Erst seit ein paar Minuten«, antwortete Kevin. Er blickte zur Decke hinauf. »Wir sind hier unten eingeschlossen. Die anderen sind immer noch da oben.«
Sie lauschte. Über ihr knarrten die Dielen. »Das überrascht mich nicht.«
Kevin rieb sich den Kopf. »Was zum Teufel ist hier los? Machen sie uns dafür verantwortlich, daß Todd und Kathy nicht mehr am Leben sind?«
»Ich bezweifle, daß sie sich auch nur eine Sekunde lang Gedanken um die beiden gemacht haben.«
»Warum haben sie uns beide dann zusammengeschlagen? Was machen sie überhaupt hier? Jim hat mir erzählt, daß du eine Party geben würdest.«
»Das ist keine Party«, entgegnete Angela.
»Das sehe ich auch. Erzähl mir, was los ist. Bitte.«
»Wir werden von dreißig Vampiren festgehalten, die von einem anderen Stern stammen.«
»Angie.«
»Das ist alles, was ich weiß.« In diesem Augenblick erinnerte sie sich an ihren Alptraum. Da war der Untergang der alten menschlichen Zivilisation. Die von den Menschen erbaute Bombe. Der Tod der bösen Welt. Das lange Schweben der Asteroiden durch Zeit und Raum und die Wiedergeburt der Keimzellen der Parasiten im Wasser der beiden Seen. »Frag bitte nicht weiter«, bat sie Kevin.
Er betrachtete sie ungeduldig. »Das reicht mir aber nicht, Angie.«
Sie wimmerte vor Schmerz. »Es tut mir leid.«
Er bedauerte sofort, ungeduldig mit ihr gewesen zu sein, und streckte die Hand aus, um ihren Kopf zu berühren. »Wir müssen sofort zu einem Arzt«, sagte er.
Sie spürte seine Hand sehr intensiv auf ihrer Haut. Es war fast, als ob jede Faser der Stelle, die er berührte, über ihr eigenes Radarsystem verfügte und in der Lage war, die Struktur seines Fleisches zu analysieren. Besonders sensibel war sie für das Blut in seinen Fingern, das gleich unter der Oberfläche seiner Haut floß. So eine dünne Schicht Haut – diese schwache Schale der Menschheit, die man in nur wenigen Sekunden abpellen konnte…
Das Pochen in ihrem Kopf drohte sie zu überwältigen.
Sie schob seine Hand beiseite.
»Ich bin in Ordnung«, sagte sie und stand auf, ohne sich von ihm helfen zu lassen. Eine Woge von Schwindel durchflutete sie, aber bald schon stand sie sicher auf den Füßen. Der Keller hatte keine Fenster, das wußte sie auch, ohne sich noch einmal zu vergewissern. Es gab nur einen Weg, der nach draußen führte – die Tür zum Erdgeschoß des Hauses. Sie ging hinüber zu der Ecke, in der sie die mit Benzin gefüllten Kanister unter einer Plastikplane versteckt hatte. Sie zog die Plane weg. Die Kanister waren immer noch da.
Aber die Lunte, die sie gelegt hatte, war verschwunden.
Sie durchsuchte ihre Taschen. Sie hatten ihr die Feuerzeuge abgenommen.
»Was ist in den Kanistern?« fragte Kevin. Er war nicht dumm. Die Art, in der sie zusammengebunden waren, sprach nicht dafür, daß frisches Trinkwasser in ihnen war.
»Benzin«, antwortete Angela.
Er riß die Augen auf. »Werden wir uns selbst in die Luft jagen?«
»Nein«, sagte sie. »Ich wollte die anderen in die Luft jagen.«
»Warum in Gottes Namen?«
»Eben genau in Gottes Namen«, erklärte sie ihm. Ihr wurde klar, daß es kein Entkommen geben würde. Ihre einzige
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