Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
und vor ihm erhob sich wie eine mächtige Welle im Land ein Berg, wie er ihn noch nie gesehen hatte. Er war höher als alles auf Erden, mit scharfen, geraden Kanten, die an ein Schwert erinnerten. Seine schneebedeckte Spitze stach in den Himmel, zerschnitt vorübergleitende Wolken, während sein breiter Fuß sich Kilometer um Kilometer in jede Richtung erstreckte, mit Wurzeln, die tiefer lagen, als ein Mensch begreifen konnte. Er stand vollkommen scharf, stolz und hoch, unbeweglich, unzerstörbar, und in dem Moment, in dem er ihn sah, verstand Josef.
Der Berg verschwand, dann fühlte er etwas in seiner Hand. Er sah nach unten und entdeckte, dass er das Herz des Krieges hielt. Das schwarze Schwert sah aus wie immer, und doch vollkommen anders. Als er die Klinge musterte, blitzte die Erinnerung an den Berg in seinem Kopf auf.
Du hast meine wahre Natur gesehen . Die Stimme des Herzens war tief und warm. Brauchst du immer noch Worte, Josef Liechten?
»Nein«, antwortete Josef und packte das Heft des Schwertes fester.
Das Herz des Krieges lachte ein tiefes, grummelndes Lachen, und Josef erwachte.
Er war allein und lag nicht mehr dort, wo er gefallen war. Um ihn herum waren Kisten aufgestapelt, und seine Wunden waren verbunden worden, auch wenn ihm die Blutflecke verrieten, dass es nichts geholfen hätte, wenn sich das Herz nicht eingeschaltet hätte. Er sah auf das Schwert in seiner Hand und musterte es einen langen Moment, als sähe er es zum ersten Mal.
Der Weg zu wahrer Stärke ist nicht einfach. Die Stimme des Herzens war jetzt mehr eine Erinnerung als ein Geräusch. Jetzt, da wir angefangen haben, gibt es kein Zurück. Ich hoffe, du bist bereit, dein Leben darauf zu setzen.
»Das war ich immer«, flüsterte Josef. »Jedes einzelne Mal.«
Ein tiefes Lachen hallte durch seinen Kopf, und das Heft des Schwertes legte sich noch besser in Josefs Hand. Er umklammerte es mit einem Grinsen, dann nutzte er das Schwert als Krücke und versuchte mühsam, sich aufzusetzen. Als er es ungefähr zur Hälfte geschafft hatte, hörte er ein Krachen. Er erstarrte, um zu lauschen. Es war das Geräusch von etwas, das auf den Boden fiel, etwas Kleines, Menschliches. Sofort kam er auf die Beine und kroch gerade rechtzeitig zur Ecke des Kistenstapels, um zu sehen, wie Sted sich keuchend über etwas auf dem Boden beugte. Es war dunkel, aber diese Form hätte er überall erkannt: den schmalen Rücken, die dünnen Arme, die schlaff auf dem Boden lagen, die bleiche, helle Haut.
Wut erfüllte seinen gesamten Körper und färbte den Raum rot. Wut auf Sted, Wut auf sich selbst, weil er das hatte geschehen lassen, Wut auf Nico, die nicht vor einem Kampf geflohen war, den sie nicht gewinnen konnte. Hatte er ihr denn gar nichts beigebracht? Aber das schwere Schwert in seiner Hand holte ihn zurück und sagte ihm, was getan werden musste.
Trotzdem war Josef nicht die Art von Mann, die einen Gegner ohne Vorwarnung von hinten angriff.
»Sted!«
Der Ruf hallte durch das Lagerhaus, und der riesige Schwertmann blickte gerade rechtzeitig hoch, um Josef springen zu sehen, das Herz über dem Kopf erhoben. Das Schwert lag schwer in seinen Händen, und doch konnte Josef es mühelos schwingen, sogar noch leichter als vorher. Die Klinge reagierte auf jede Bewegung, als wäre sie ein Teil seiner Hand und nicht nur etwas, das er hielt. Josef spürte ein Hoch, wie er es noch nie empfunden hatte, als das triumphierende Lachen des Herzens in ihm erklang.
Für einen Moment stand Sted einfach nur da und starrte, dann hob er sein Schwert zur Verteidigung. Doch diesmal war er zu langsam. Josef war bereits über ihm und schwang sein Schwert mit aller Wut. Die schwarze Klinge traf Sted mit dem Gewicht eines Berges in die Seite. Es erklang ein tiefes, metallisches Geräusch, und Sted flog nach hinten und krachte mit so viel Wucht gegen die Wand des Lagerhauses, dass die hölzernen Stützpfeiler splitterten.
Josef, der von seinem Schlag keuchte, hielt ein Auge auf Steds gefallenen Körper, während er zu Nico humpelte. Er hatte in seiner Zeit schon viel Gewalt gesehen, und doch fiel es ihm schwer, sie anzusehen. Über ihre Brust zog sich eine riesige Wunde, als hätte Sted versucht, sie auszunehmen. Trotzdem, sagte er sich selbst, das war Nico. Sie war ungefähr so leicht zu töten wie eine Steinmauer.
Josef kniete sich hin, um ihre Atmung zu kontrollieren. Und tatsächlich, er konnte sie fühlen: Ein leichter Hauch streifte an seinen Fingern entlang. Er atmete
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