Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
Perfektion bewahren wollte, deren Errichtung er sein gesamtes Leben gewidmet hatte. Das hier war nur ein weiterer Test, und obwohl er bisher nie zu Versklavung hatte greifen müssen, war er immer bereit gewesen, zu tun, was getan werden musste. Perfektion war nichts, was man durch halbherzige Anstrengungen erreichen konnte.
Am Rande seiner Kontrolle spürte er das Wallen des Meeresgeistes, der seinen Fluss übernommen hatte. Er sammelte Wasser von stromaufwärts, um seine Größe und Macht zu erhöhen. Seit dem Beginn der Versklavung hatte er seine Breite fast verdoppelt. Er war so voller Wasser, dass er den Einfluss des Spiritistenmädchens nicht länger spüren konnte. Vielleicht war sie gestorben? Vielleicht war auch der Wassergeist zu groß für sie geworden und hatte sich aus ihrem Halt befreit? Was auch immer geschehen war, Herns Idee, sie zu fangen und dazu zu zwingen, den Geist aufzugeben, war nie eine effiziente Option gewesen. Der Fluss wuchs zu schnell. In weiteren zehn Minuten hätte er genug Wasser, um die gesamte Stadt zu überfluten. Das könnte seine jetzt schon schwache Kontrolle über seine Geister ganz brechen und seine Stadt zerstören. Aber er war nicht mal bereit, daran auch nur zu denken. Nein, sein Ziel lag klar vor ihm. Die Kontrolle wiederzugewinnen bedeutete, den Meeresgeist aus seinem Fluss zu entfernen, und Edward würde genau das tun, selbst wenn es bedeutete, dass er das Wasser zerstören musste.
Er streckte seinen Willen, und seine Aufmerksamkeit drang über die geduckte Stadt hinaus und richtete sich auf die Lagerhäuser am nördlichen Ende des Flusses, wo die Gerbereien standen. Vor langer Zeit, als er noch ein Junge war, hatte er den Fluss gefügig gemacht, indem er ihm drohte, die Abwässer der Gerbereien in sein Wasser zu leiten. Nun, vierzig Jahre später, machte er diese Drohung wahr. Nach einem Aufwallen seines Geistes brachen die Mauern der Gerbereien, und fünf riesige Fässer voller stinkender, alter Beize, deren Oberfläche vor Gift und toten Fliegen schäumte, ergossen sich in das frische Wasser des Flusses. Edward grinste, als er fühlte, wie die Macht des Großen Geistes erschauerte und zurückschreckte, als viele hundert Liter ranzigen, schwarzgrünen Schleims sich auf seiner Oberfläche verteilten.
Trotzdem, das war noch nicht genug. Der Fluss stieg unter der Giftschicht noch weiter an, verweigerte Edward die Kontrolle über sein Gebiet, widersetzte sich dem Rückzug. Er brauchte etwas Drastischeres, doch er keuchte jetzt schon vor Anstrengung, Geister zu befehligen, die so weit entfernt waren. Glücklicherweise war der nächste Schritt sehr einfach. Selbst versklavtes Feuer brauchte nur wenig Anreiz, um zu brennen. Er musste nur eine der heruntergefallenen Fackeln ermutigen, die von seiner Armee auf dem Dock vergessen worden waren, und schon sprang die Flamme auf das vergiftete Wasser über.
Der Schleim fing sofort Feuer, und die Nacht wurde taghell erleuchtet, als rotes Feuer über die Wasseroberfläche dahinschoss. Das Wasser schrie und schäumte; bei dem Versuch, den Oberflächenfilm zu durchbrechen und das Feuer zu löschen, warf es große Wellen auf. Doch damit trieb es die Flammen nur höher. Der Herzog lächelte triumphierend, aber er hielt seine Kontrolle. Selbst das würde vielleicht nicht reichen, um den eingedrungenen Geist auszutreiben.
»Durchlaucht?«, flüsterte eine kleine Stimme hinter ihm. Sie klang flehend und heiser, als riefe sie ihn schon seit langer Zeit. Er hätte sie ignoriert, aber wenn ein Geist den Mut aufbrachte, ihn unter diesen Umständen zu unterbrechen, dann war es wahrscheinlich wichtig.
»Was?«, schnaubte er und zog nur einen winzigen Teil seiner Aufmerksamkeit von seinem Kampf mit dem Fluss ab.
Der Geist flackerte, und er sah, dass es das Festungsfeuer war, das einzelne riesige Feuer, das die Tür zur Schatzkammer bewegte, das Essen für die Festung kochte und die Räume beheizte. Es sprach durch den Kamin mit ihm. Das Feuer war loyal geblieben, selbst als der Fluss besiegt worden war, und nur deswegen drehte er sich um und hörte ihm genauer zu.
»Der Dieb, Eli Monpress«, sagte es mit knisternder Stimme. »Er steht auf dem Vorplatz.«
Die Geduld des Herzogs war schnell erschöpft. »Belästige mich nicht mit solchem Schwachsinn«, sagte er und wandte sich wieder dem Fluss zu.
»Aber, Herr«, sagte das Feuer wieder. »Ich glaube, Ihr solltet schauen. Er tut etwas …« Es zögerte und warf eine Wolke nervösen Rauchs in
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