Legenden d. Albae (epub)
seinem Proviant; sein Reittier hatte er vor der Höhle im Regen gelassen, es stank ihm zu sehr. Etwas tiefer in ihrem Unterschlupf fraß Sardaî ein Kaninchen, das er sich selbst gefangen hatte. Das Krachen und Splittern der feinen Knöchelchen machte deutlich, dass der Nachtmahr das Tier im Ganzen verzehrte. Blutgeruch hing in der kühlen Höhlenluft.
»Du weißt dir zu helfen«, sagte Caphalor zu Raleeha.
»Ich habe meine Augen, aber nicht meinen Verstand verloren, Ehrwürdiger«, erwiderte sie gedankenlos und errötete, weil sie sich bewusst wurde, dass es anmaßend klang. »Verzeiht«, stotterte sie, »ich …«
»Es sei dir verziehen«, sagte er leichthin.
Je mehr Caphalor von Raleeha erfuhr, indem er sie einfach nur beobachtete, desto erstaunlicher fand er sie. Kein Hadern mit dem Schicksal oder ihrem Gebieter, der sie vor ihren Ohren freiweg entbehrlich genannt hatte. Für eine Barbarin hatte sie einen aufgeschlossenen, wachen Verstand und ein angenehmes Wesen. An einen Alb wie Sinthoras war sie die reine Verschwendung.Eine Sklavin wie sie, noch dazu aus der Familie Lotor, besaß viel Wert. Das Blenden hatte ihr zwar viel davon genommen, doch er läge sicherlich weit über dem eines gewöhnlichen Barbaren. Und dann waren da noch ihre Gefühle zu ihrem Gebieter: aufopfernde Liebe, ohne Bedingungen.
Caphalor beschloss, ihr Vertrauen zu gewinnen, statt auf seinem ehrwürdigen Status zu beharren. Ihre Loyalität war mehr wert als Gehorsam. Sie war die Schwester eines Barbarenfürsten. Die Lage machte es erforderlich, politischer als sonst zu denken. Gut möglich, dass Raleeha sich plötzlich an der Spitze der Thronfolge und eines einhunderttausend Mann starken Heeres wiederfände. Ein solches Heer könnte ihnen möglicherweise nutzen. Von daher sollte sie sich später einmal an ihn erinnern, und zwar im Guten.
»Du solltest versuchen, ob du auf diese Weise zu zeichnen vermagst.«
Raleeha hörte nicht auf, Buchstaben zu ritzen. »Es ist sicherlich schwieriger und kommt der Schönheit nicht einmal annähernd entgegen. Es wären Zerrbilder, und das möchte ich nicht. Lieber beschreibe ich mit Worten, Ehrwürdiger.«
Caphalor betrachtete sie versonnen. Noch ging er davon aus, dass sie ihren Auftrag vollendeten, sowohl den von Munumon als auch den der Unauslöschlichen. Was aber, wenn sie am Gift starben? Er wollte sie Vertrauen spüren lassen und locken. »Sag, Raleeha, was würdest du für deinen Gebieter tun?«
»Alles, Ehrwürdiger«, antwortete sie unverzüglich.
»Wärst du bereit, unter gewissen Bedingungen eine große Bürde auf dich zu nehmen, von der das Leben vieler Albae abhinge?«, hakte er nach.
Raleeha hob nach alter Gewohnheit den Kopf, um ihn anzuschauen. Hinter der schwarzen Binde lagen die leeren Augenhöhlen, doch auf ihrem Gesicht las er Verwunderung. »Ich erwarte gespannt, was Ihr mir sagen wollt, Ehrwürdiger.«
Er war selbst unschlüssig, wie weit er gehen sollte. »Noch ist der Moment nicht gekommen«, wich er nach einigem Nachdenken aus. »Sollte sich jedoch abzeichnen, dass Sinthoras und ich nicht lebend nach Dsôn Faïmon zurückkehren, wirst du für uns in die Bresche springen.«
Sie richtete sich auf und verneigte sich tief. »Das wäre die größte Ehre, die mir jemals zuteilgeworden wäre, Ehrwürdiger! Ich freue mich über Euer Vertrauen …«
»… zu einer Blinden?«, rief Sinthoras ungläubig vom Eingang. »Caphalor, such dir eine eigene Sklavin, mit der du Pläne schmieden kannst, und lass meine in Ruhe, verstanden? Es hat aufgehört zu schütten. Wir sollten weiter.«
Raleeha schreckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Es hatte den Anschein, als fühlte sie sich ertappt, weil sie mit Caphalor gesprochen hatte.
»Im Gegensatz zu dir mache ich mir Gedanken, wie wir unser Abenteuer im Falle unseres Versagens zu einem guten Ende bringen können«, gab er unbeeindruckt zurück.
»Wir versagen nicht«, tönte Sinthoras herablassend. »Nein,
ich
versage nicht. Für dich zu garantieren wäre so sicher, wie einem hungrigen Óarco ins Maul zu langen und zu hoffen, dass er nicht zuschnappt.« Er biss in das fingerlange Stück getrocknetes Fleisch und kaute langsam. »Sie ist nur eine blinde Sklavin, mehr nicht. Sie könnte niemals tun, was uns zusteht. Ohne uns läge sie schon lange tot in einem Graben oder in Einzelteilen im Kessel von Óarcos oder anderem Gesindel. Setz ihr nicht die Flausen in den Kopf, dass sie nützlich wäre.«
Caphalor freute sich
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