Legenden d. Albae (epub)
Steinsplitter fand er nicht. Doch er eignete sich, um Haut und Adern zu zerfetzen. Also musste er die Obboona nicht mehr erdrosseln, sondern konnte sie überraschend töten, wenn sich die Möglichkeit ergab.
Er setzte sich neben die Sklavin, spielte mit dem Stein. »Sie ist demnach ihre Anführerin. Vielleicht wollte sie mit den Srink die Himmelsfestung stürmen und hat sich zum Schein beim Zhadar verdingt«, sinnierte er. »Auf der Flucht und auf dem Weg zu ihren Leuten geriet sie den Trollen in die Finger. Wir befreiten sie, und sie spielte das Spiel mit, weil siewusste, dass ihre Leute sie früher oder später entdecken würden.«
»Darf ich sprechen, Gebieter?«
Er erinnerte sich, dass er freundlicher zu ihr sein wollte, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Aus Gründen der Politik. Noch immer glaubte er daran, bis nach Hause zu gelangen. Mit ihr. »Ja. Lass mich wissen, wie deine Meinung lautet.«
»Es klingt schlüssig, was Ihr sagt.« Raleeha schauderte. »Ich schätze, es sind einhundert von diesen Wesen und mehr. Ich kenne die Srink überwiegend aus Berichten. Einen habe ich mal in Dsôn gesehen. Der benahm sich jedoch gänzlich anders, mehr wie ein Hund. Habe ich das richtig vernommen: Sie tragen Rüstungen und Waffen, Gebieter?«
»Das tun sie.« Caphalor betrachtete die Menschenfrau. Sie war verzweifelt, ganz ohne Frage, aber sie verlor deswegen nicht ihren Verstand und ihre Kombinationsgabe.
Ohne dass er es wollte, glitten seine Blicke an ihr herab. Ihr Fleisch war mit Schmutz behaftet, aber wohl makellos, die Knochen von geradem Wuchs. Daraus konnte er nach ihrem Tod etwas Außergewöhnliches schaffen, falls sie nicht mehr gebraucht wurde. Leinwand aus der Haut, aus den langen Haaren ließ sich etwas knüpfen, was seine Gemahlin außerordentlich gut beherrschte. Die Gebeine würden zu besonderen Ehren gelangen; ihm schwebte ein Ensemble von Figuren vor oder etwas Abstraktes, das sich ausgezeichnet im Garten einpassen ließ.
Er bemerkte, dass er sie lange angesehen hatte. Länger, als er üblicherweise brauchte, um eine Eingebung für ein Kunstwerk zu erhalten. Er lauschte in sich hinein. Tat sich noch mehr in ihm auf als sein Interesse als Künstler?
Caphalor musste vor Unglauben auflachen. Sie war eine Menschenfrau, hübsch und anmutig, mit albaehaften Zügen, doch weit, weit entfernt, seiner Art geschweige denn seiner Gemahlin das Wasser reichen zu können.
»Gebieter, warum lacht Ihr?«
»Mir kam ein abstruser Gedanke.« Was sollte es demnach sonst sein, was sein Interesse geweckt hatte, als die Verarbeitung ihres Körpers zu einem Kunstwerk? Er würde sich nicht auf die Stufe derer herablassen, die sich mit Menschenfrauen abgaben. Dazu lagen keinerlei Gründe vor. Caphalor schob seine Verwirrung auf das Gift der Alchemikanten. Eine weitere Sache, die ihm zu schaffen machte.
»Dann scheint es verschiedene Arten der Srink zu geben, Gebieter. Schlaue und weniger schlaue. Warum folgen sie der Obboona?« Es schien Raleeha Vergnügen zu bereiten, eine Lösung für die vielen Fragen zu finden, die mit ihrer Gefangenschaft zusammenhingen. »Sie haben geschmiedet«, sagte sie unvermittelt, als sei es ihr eben eingefallen.
»Was bedeutet
geschmiedet
?« Er ließ sie gewähren. Sollte sie sich den Kopf zerbrechen, auch wenn er bezweifelte, dass etwas Gutes dabei herauskam. Andererseits war sie nicht so wie seine Barbarinnen.
»Ich denke, dass sie Waffen herstellen, Gebieter«, führte sie weiter aus und hielt den Kopf geradeaus gerichtet. »Es ist ein besonderer Klang, den ich kenne. Von damals, als ich noch bei meinem Bruder in der Burg lebte. Schwerter erzeugen ein ganz besonderes Geräusch beim Schmieden.«
Caphalor war sich sicher, dass sie sich das einbildete, sagte jedoch nichts. Er fand es aus anderen Gründen nachvollziehbar, dass die Srink an Waffen arbeiteten: Sie befanden sich mutigerweise im Reich der Fflecx – oder sollte man sagen: törichterweise? Eine Entdeckung musste unter allen Umständen verhindert werden, denn gegen das Gift der Alchemikanten halfen ihnen auch die Harnische nichts. Es gab keine Rüstung, welche einen Blasrohrpfeil aufhielt, so absonderlich es auch klang. Daher musste jeder sterben, dem sie unterwegs begegneten. Unddazu wiederum benötigten sie Waffen.
Seine eigenen Überlegungen erinnerten Caphalor auf unschöne Weise erneut daran, was durch seine Adern rann und sein Leben endlich machte. Das hatte er davon, dass er den Worten der Sklavin gelauscht
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